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Wahrheitstheorien

ACHTUNG: Logische Operatoren werden nicht korrekt dargestellt.


1. Allgemeines

Grundproblem: Es besteht wenig Übereinstimmung darüber, was das Problem der Wahrheit überhaupt ist und welche Frage eine Theorie der Wahrheit überhaupt beantworten soll. Weiter ist unklar, was als Träger der Wahrheit gelten kann. Es gibt demnach verschiedene Projekte einer Wahrheitstheorie und diese müssen auseinandergehalten werden, um Konfusionen zu vermeiden.

Drei Projekte: Man kann grundsätzlich drei Projekte unterscheiden (Kirkham): Das Sprechakt-Projekt (untersucht Absichten im Zusammenhang mit dem Aussprechen für wahr gehaltener Sätze, ?), das Rechtfertigungs-Projekt (sucht nach Charakteristika wahrer Aussagen, mit deren Hilfe man solche identifizieren kann) und das metaphysische Projekt (versucht zu identifizieren, woraus Wahrheit besteht).

Daneben lässt sich eine weitere alternative Unterteilung geben, die dazu beiträgt, Teilprojekte in den oben genannten zu unterscheiden. So kann man sich um eine nichtzirkuläre Beschreibung der Menge aller wahren Dinge bemühen. Dies nennt man das Extensionalitäts-Projekt. Man sucht die linke Seite von : „x ist wahr  ...“. Dabei ist die Äquivalenz extensional definiert, d.h. die Intensionen können sich unterscheiden. Man kann das Extensionalitäts-Projekt auch so umschreiben, dass eine Menge notwendiger und hinreichender Bedingungen dafür, dass etwas wahr ist, gesucht werden. Die Lösung des Extensionalitäts-Projektes gibt eine Definition der Wahrheit. Im weiteren kann man die Intension des einstelligen Prädikates „ist wahr“ versuchen zu bestimmen (assertion-project). Intensionsgleiche Terme sind sicher auch extensionsgleich, während das umgekehrte nicht gilt. Man kann das assertion-projekt auch so umschreiben, dass man herausfinden will, was „ist wahr“ meint. Weiter kann man auch fragen was zum offenen Satz „x ist wahr“ synonym ist. Synonymie muss in allen möglichen Welten gelten und ist demnach die stärkste Verknüpfung. Die Suche nach Synonyma kann man das Essenz-Projekt nennen. Schliesslich kann man die Synonymie derart einschränken, dass nur die natürlich möglichen Welten (d.h. jene mit unseren Naturgesetzen) betroffen sind. Die Suche nach eine Ausdruck, der natürlich äquivalent zu „x ist wahr“ ist, nennt man das naturalistische Projekt. Dieses ist in einem gewissen Sinn die Suche nach einer naturwissenschaftlichen Theorie der Wahrheit.

Kirkham kommt zu folgender Zusammenfassung: Das metaphysische Projekt besteht aus dem Extensionalitäts-Projekt (die Suche nach notwendigen und hinreichenden Bedingungen, damit ein Satz „wahr“ genannt werden kann), aus dem naturalistischen Projekt (die Suche nach notwendigen und hinreichenden Bedingungen, damit ein Satz in einer natürlichen Welt wahr ist) und aus dem Essent-Projekt (die Suche nach hinreichenden und notwendigen Kriterien, damit ein Satz in allen möglichen Welten zur Menge der wahren Sätze gezählt werden kann). Das Rechtfertigungsprojekt sucht nach Kriterien für die Bestimmung wahrer Sätze. Diese Kriterien sagen uns, wann es gerechtfertigt ist, von einer Aussage zu behaupten, sie sei wahr. Das ist nicht dasselbe wie die Angabe notwendiger und hinreichender Bedingungen für die Wahrheit eines Satzes (denn diese kann man de facto vielleicht gar nicht angeben). Das Rechtfertigungsprojekt ist keine eigentliche Wahrheitstheorie (es gibt aber Autoren, welche diese Unterscheidung nicht machen wollen, z.B. William James, Band Blanshard und Michael Dummett. Diesen kann man z.B. entgegenhalten, dass Rechtfertigungen zeitlich nicht invariant sind, man dies aber von Wahrheit erwarten möchte. Ausserdem scheint der Rechtfertigungsbegriff den Wahrheitsbegriff vorauszusetzen (gerechtfertigt als was? als wahr!)). Das Sprechakt-Projekt schliesslich besteht aus dem illocutionary-act Projekt (?, untersucht, was wir tun, wenn wir wahre Aussagen machen) und dem assertion-Projekt (die Suche nach der Intension des Prädikats „wahr“).

Wahrheitstheorie und Erkenntnistheorie: Wahrheitstheorien bilden einen essentiellen Bestandteil der Erkenntnistheorie, da sie der Wahrheitsskepsis antworten müssen. Weiter haben Wahrheitstheorien eine regulative Funktion bezüglich der Rechtfertigungstheorien. Je nach Wahrheitstheorie erscheinen gewisse Rechtfertigungstheorien plausibel, andere nicht.

Der Träger der Wahrheit: Einem Wahrheitsträger kann man die Wahrheitswerte „wahr“ oder „falsch“ (bei mehrwertigen Logiken auch andere) zuordnen. Mögliche Kandidaten: Propositionen, Wertungen, Aussagen, Theorien, Vorstellungen, Token, Satztypen, Sprechakte... d.h. sehr verschiedene Dinge (physikalische Objekte, sprachliche Gebilde, abstrakte Entitäten, Handlungen, mentale Entitäten...). Kirkhams Vorschlag: Tolerante Haltung gegenüber Wahrheitsträgern. Satztoken als Vorschlag (diese existieren zweifellos, es gibt keinen ontologischen Streit darüber, was Satztokens sind, man kann klar sagen, was die Teile eines Satztokens sind). Deflationisten würden natürlich sagen, nichts sei Wahrheitsträger. Was Wahrheitsträger sein soll, ist eine Frage der Entscheidung.

Das Rechtfertigungsprojekt: Wie gesagt, muss dieses vom Projekt der Wahrheitstheorie unterschieden werden. Das Rechtfertigungsprojekt muss folgendes Schema vervollständigen: Wahrheit korreliert mit ... und es ist verhältnismässig einfach, wenn der Wahrheitsträger diese Eigenschaft hat. Es gibt u.a. eine Kohärenztheorie der Rechtfertigung ung eine instrumentelle Theorie der Rechtfertigung (Verwechslungs-gefahr!). Man neigt dazu, die zu findende Eigenschaft für das obige Schema auch in der Wahrheitstheorie zu verwenden, doch das darf man nicht. Z.B. eine solche Eigenschaft: Selbstevidenz (im Detail problematisch). Einwände gegen Rechtfertigungstheorien sind oft analog zu den Einwänden der entsprechenden Wahrheitstheorien: So ist etwa auch die Kohärenztheorie der Rechtfertigung mit dem Einwand konfrontiert, dass Kohärenz die Möglichkeit der Fiktion nicht ausschliesst. Rechtfertigungstheorien sind demnach auch relativ zur entsprechenden Wahrheitstheorie plausibel.


2. Antirealistische Wahrheitstheorien

Zum Unterschied realistisch-antirealistisch: Realistische Wahrheitstheorien sind meist Korrespondenztheorien, während antirealistische meist Kohärenztheorien, pragmatische oder pragmatizistische Wahrheitstheorien oder instrumentalistische Wahrheitstheorien sind. Realistische Theorien gehen davon aus, dass die Wahrheitstheorie sich auf die Dinge der Aussenwelt bezieht, d.h. es wird eine ontologische Bedingung für die Wahrheit eines Wahrheitsträgers gestellt, antirealistische Theorien verneinen dies. Man muss aber zwischen Realismus bezüglich Wahrheit und Realismus als ontologische Position unterscheiden. Es ist nicht inkonsistent, wahrheitstheoretischer Realist zu sein und ontologischer Realismus abzulehnen (er wäre dann aber Deflationist), aber es ist nicht sehr interessant.

Antirealistische Wahrheitstheorien werden durch den Skeptizismus bezüglich der Möglichkeit der Erkenntnis der Aussenwelt motiviert. Doch dieser Gedanke ist problematisch. Denn es ist die Aufgabe der Rechtfertigungstheorie, dem Skeptiker zu antworten, nicht jene der Wahrheitstheorie. Nichtrealistische Wahrheitstheorien müssen auch zugestehen, dass selbst wenn es eine Aussenwelt gäbe und z.B. Schnee dort weiss wäre, es theoretisch möglich sein muss, dass der Satz „Schnee ist weiss“ falsch ist (und umgekehrt). Dem zu entgehen, ist ein Grundproblem der antirealistischen Wahrheitstheorien.

Peirces Pragmatizismus: Grundproblem: Peirce äussert sich inkonsistenz zu seinem Wahrheitsbegriff. Peirce vertritt eine Konsenstheorie der Wahrheit. Subjekt der Wahrheit ist die Forschergemeinschaft, die gewissermassen in einem Grenzwertprozess (t gegen unendlich) die Wahrheit herausfindet. Das ist ein definierendes Merkmal für Peirce. Realität wird damit abhängig von der Gemeinschaft aller Forschenden. Seine Wahrheitstheorie erscheint deshalb plausibel, weil die Korrespondenztheorie dahinter versteckt ist. Doch sie ist zirkulär.

James’ Instrumentalismus: Grundproblem: James ist inkonsistent und unklar. Er sagt in etwa: x ist wahr gdw. x einen Teil der Realität „kopiert“ oder es ist ein nützlicher Glaube, x zu haben. x läuft dabei über Glaubensinhalte. Die Nützlichkeit zeigt sich in verschiedernerlei Hinsicht: Hilfe beim konkreten Handeln, Kommunikationshilfe, nützlich für Vorhersagen, nützlich für die Erklärung anderer Vorkommnisse. James unterscheidet nicht zwischen Wahrheits- und Rechtfertigungstheorie. Er will Wahrheit mit anderen Werten in Verbingung bringen, doch das ist problematisch. Schliesslich kann man Wahrheit und z.B. Erklärungskraft voneinander unterscheiden, etwa durch die verschiedene Logik: Aus wahren Sätzen wird wahres abgeleitet, Ableitungen aus Sätzen mit Erklärungskraft hingegen müssen nicht unbedingt selbst Erklärungskraft haben. Instrumentalismus, so Kirkham, ist eher eine Doktrin darüber, was uns wichtig ist, als was wahr ist.

Kohärenztheorie: Generell zur Kohärenztheorie: Man muss zwei Arten unterschieden: eine idealistische Kohärenztheorie und eine logisch-empirische (letztere hat ihre Wurzeln im Wiener Kreis, Neurath). Eine Neuauflage erlebte die Kohärenztheorie mit Nicholas Recher (1973).
Die spekulativ-idealistische Kohärenztheorie wurde vor allem von A.C. Ewing, F.H. Bradley und B. Blanshard vertreten. Brand Blanshards Kohärenztheorie: Kohärenz muss zuerst definiert werden: Konsistenz und gegenseitiges Zusammenhängen (Implikationsbeziehungen müssen vorhanden sein). Meistens wird die Kohärenztheorie als Theorie der Rechtfertigung verwendet, Blanshard sieht in ihr aber auch eine Wahrheitstheorie. Wahrheit ist offenbar dann gegeben, wenn wir alles kohärent eingliedern können, d.h. wenn das kohärente System ein vollständiges Bild des Universums liefert. Zum „Wesen“ der Realität: sie widerspricht sich nicht (das bedeutet nichts, nur sprachliches kann sich widersprechen). Die logisch-empirische Richtung geht auf Neurath und Carnap zurück. Der Kohärenzgedanke geht auf die Protokollsatzdebatte zurück. Kohärenz deshalb, weil es keine feste empirische Basis gibt.

Reschers Kohärenztheorie: Er geht von einem Unterschied zwischen definitorischen und kriterienbezogenen Wahrheitstheorien aus. Für Rescher genügt Kohärenz allein nicht. Recher wil die Korrespondenz-theorie für die Frage nach der Wahrheitsdefinition und die Kohärenztheorie für die Frage nach dem Kriterium. Rescher unterscheidet weiter zwischen garantierenden (das Kriterium entscheidet vollständig über die Merkmale, eine Art Definition also) und berechtigenden (das Kriterium liefert eine Begründung für das Zusprechen des Merkmals) Kriterien. Bei einem berechtigenden Kriterium können zwei Arten von Irrtümern auftreten: wahre Hypothese wird abgelehnt oder falsche Hypothese wird angenommen. Probleme bestehen erst dann, wenn diese Irrtümer systematisch auftreten (und wie findet man das heraus?). Kohärenz ist nun ein solches berechtigendes Kriterium. Zentraler Bezug zur Realität ist Reschers Begriff vom Datum als Wahrheitskandidat (hier mehrere Probleme, Rescher verweist auf ad-hoc-Überlegungen, mir unklar).

Zum Begriff Kohärenz. Drei Aspekte: 1) Umfassendheit, bestehend aus inferenzieller Geschlossenheit (d.h. die Menge der wahren Propositionen enthält alle ihre logischen Konsequenzen), logischer Eingeschlossenheit (d.h. jede These der Logik ist enthalten) und beschränkte logische Vollständigkeit (d.h. die Menge der wahren Propositionen S ist beschränkt vollständig, wenn unter Standardbedingungen gilt: wenn P  S, dann P  S, bei unbeschränkter Vollständigkeit gilt dies immer. Dadurch wird Bivalenzprinzip abgeschwächt). 2) Konsistenz, d.h. (P)[(P  S)  (P  S)]. 3) Zusammengefügtheit, d.h. die Wahrheit einer Proposition muss bestimmt werden als Explikation ihrer Beziehung zu anderen Propositionen in deren logisch-empirischen Kontext, d.h. die wahren Propositionen bilden eine festgefügte Einheit, jedes Element hängt durch logische Verknüpfungen mit anderen Elementen zusammen (hier sind Probleme verborgen, gehe aber nicht darauf ein).
Das Problem jedes Kohärenz-Theoretikers: Er braucht den Begriff der Wahrheit für die Definition der logischen Junktoren (? wirklich). Der Begriff der Konsistenz setzt den Wahrheitsbegriff voraus.

Es gibt ein grundsätzliches Problem: Die Aussage über die Kohärenz ist selbst wieder Gegenstand der Kohärenztheorie, d.h. es droht ein Regress der Form: p; p ist mit dem System kohärent; „p ist mit dem System kohärent“ ist mit dem System kohärent; usw. Um den Regress zu stoppen, muss der Kohärenztheoretiker seinen antirealistischen Standpunkt irgendwann aufgeben, er muss sein System irgendwo verankern.
 

3. Die Korrespondenztheorie

Zwei Arten von Korrespondenz: Zwei Arten von Korrespondenz lassen sich unterscheiden: Korrespondenz als Kongruenz (dies impliziert die Behauptung, dass es eine strukturelle Isomorphie zwischen Wahrheitsträger und entsprechender Tatsache gibt) und Korrespondenz als Korrelation (jeder Wahrheitsträger korreliert mit einer Tatsache, eine Abbildung passiert jedoch nicht. Die Korrelationen sind ein Ergebnis linguistischer Konventionen, erklärbar durch die Geschichte der Sprache). Es gibt auch quasirealistische Korrespondenztheorien derart, dass Wahrheit zwar von der Korrespondenz zu Fakten abhängt, die Fakten selbst aber nicht subjektunabhängig sind (vielleicht könnte man Kant in diese Ecke stellen).

Russells Korrespondenz als Kongruenz: Eine Überzeugung ist gemäss Russell eine Beziehung zwischen vier verschiedenen Dingen: Der Person (mit der Überzeugung), zweier Objektterme (einer entspricht ungefähr dem Subjekt eines Satzes, der andere dem Objekt des Satzes) und einer Objektrelation (entspricht dem Verb eines Satzes). Daneben existiert das Faktum als eine Beziehung zwischen drei verschiedenen Dingen (ohne die Person). Wahrheit besteht in der Kongruenz der Überzeugung mit dem Faktum. Ein wichtiges Problem für Russell: Wahrheitsaussagen über fiktive Entitäten. Russells Ansatz hat Bezugspunkte zu Wittgensteins Bildtheorie, entwickelt im Tractatus. Polar stehen sich die „Gesamtheit der Tatsachen“ und die „Gesamtheit der Sätze“ gegenüber. Die Sätze zerfallen in wahrheitsfunktionale Sätze und Elementarsätze. Das gemeinsame Element zwischen Tatsachen und Sätzen ist die logische Form, d.h. die Relation ist eine Isomorphie. Diese Strukturidentität ist aber problematisch (so bei „weil“-Sätzen, „wenn..., so...“-Sätzen usw.).

Austins Korrespondenz als Korrelation: Jede Korrespondenz zwischen Wahrheitsträger und Tatsache ist inhärent konventionell. Austin glaubt, dass Wahrheit eine vierstellige Relation betrifft, zwischen: Aussagen, Sätzen (das Medium der Aussage), Tatsachen und Tatsachen-Typen (?). (führen wir nicht weiter aus, letztlich sehr ähnlich zu Russells Theorie).

Weitere Korrespondenztheorien: Eine weitverbreitete Version ist die dialektisch-materialistische Wiederspiegelungstheorie (Marx, Lenin). Diese Wahrheitstheorie hat explizit politische Funktionen. Wahrheit hat einen ausschliesslich praktischen Zweck. Die Idee der Wiederspiegelung beruht jedoch auf einer veralteten Wahrnehmungstheorie und ist im übrigen unplausibel und kaum haltbar.

Einwände gegen die Korrespondenztheorie: Drei Einwände: Die als Wahrheitsträger anerkannten Objekte erfüllen ihre Funktion nicht. Die Tatsachen (oder was auch immer) können nicht als „Korrespondenten“ dienen. Es gibt keine Relation zwischen Tatsachen und Wahrheitsträgern.
Zu Fall zwei: Gibt es überhaupt Fakten? Um solche zu identifizieren, braucht man ja immer Sprache, d.h. „Faktum“ ist einfach ein anderer Name für „wahre Aussagen“. Aber: Fakten können in kausalen Beziehungen stehen, Aussagen nicht (ansonsten sagt das Argument nur, dass wir intersubjektiv nicht über die Sprache hinauskönnen, doch das ist klar). Die Frage nach der Relation hingegen ist schwieriger. Sie hängt davon ab, was als Wahrheitsträger anerkannt wird. Doch hier verstecken sich schwierige Probleme.


4. Deflationistische Theorien

Grundsätzliches: Deflationistische Theorien gehen davon aus, dass es eine Eigenschaft „wahr“ nicht gibt. Demnach kann es gar keine Wahrheitstheorie geben. „Wahr“ ist aber ein genuines Prädikat und es ist Aufgabe der Deflationisten zu zeigen, warum man es aufgeben sollte (?).

Ramseys Redundanztheorie: Ramsey sagt, dass der Satz „p ist wahr“ gleichbedeutend mit „p“ ist. Der Ausdruck „ist wahr“ sagt nichts neues und kann eliminiert werden. er kompliziert lediglich die Oberflächengrammatik. Probleme entstehen bei Sätzen wie „alles, was x sagt, ist wahr“, wenn man noch gar nicht weiss, was x sagt. Diese Sätze lassen sich gemäss Ramsey umformulieren zu: Für alle s: Wenn x s sagt, dann s. Ein weiterer Vertreter der Redundanz-Theorie ist C.J.F. Williams: Alles, was mit der Hilfe von „ist wahr“ gesagt werden kann, kann auch ohne diesen Ausdruck gesagt werden. Auch Alfred Jules Ayer gehört zu den Redundanztheoretikern. Für ihn fungieren „wahr“ und „falsch“ nur als Zeichen der Bejahung oder Verneinung.

Sprechakt-Ansätze: (Strawson, auch genannt: performative Theorie der Wahrheit). Wahrheit ist nach Strawson keine Eigenschaft und auch kein metasprachliches Prädikat. Wahre Sätze sagen nur aus, dass der Sprecher etwas zustimmt. Die Äusserung einer wahren Aussage ist ein sprachlicher Vollzug. Beispiel: Was der Polizist sagt, ist wahr. Dies wird zu: Ich bestätige die Aussage des Schutzmanns; d.h. einem Sprachakt (nur sehr rudimentär). Dagegen gibt es natürlich viele Einwände (z.B. kann man das Wort „wahr“ auch dann benutzen, wenn man etwas nicht zustimmt: „Wenn das wahr wäre, dann...“.


5. Tarskis semantische Konzeption der Wahrheit

Tarskis Ziel: Tarski sieht im Wahrheitsbegriff ein semantischer Begriff (wie Erfüllung, Definition, Referenz usw.). Ihm geht es grundsätzlich darum, Semantik als wissenschaftliche Disziplin zu etablieren. Aus diesem Grund will er auch keine Entitäten zulassen, die nicht schon von der Physik vorgegeben sind (er ist in diesem Sinn Physikalist). Er will demnach alle semantischen Begriffe aus physikalische und logisch-mathematische zurückführen. Dies dadurch, indem er alle semantischen Begriffe (ausser Erfüllung) durch den Wahrheitsbegriff definiert, diesen durch den Begriff der Erfüllung und diesen schliesslich mittels physikalischen und logisch-mathematischen Termen. In Kirkhams Terminologie verfolgt Tarski das Extensionalitätsprojekt. Zwei weitere Ziele verfolgt Tarski: So muss er mit dem Lügner-Paradox fertig werden. ausserdem stellt er eine Adäquatheitsbedingung auf, welche jede Wahrheitsdefinition erfüllen muss (die W-Konvention).


Alfred Tarski: Die semantische Konzeption der Wahrheit und die Grundlagen der Semantik

(Seitenangaben nach Skirbekk)

Hauptproblem: Tarski will eine sachlich angemessene und formal richtigen Definition von Wahrheit. Demnach müssen zuerst die Bedingungen angegeben werden, unter welcher de Definition vom sachlichen Standpunkt angemessen ist (den tatsächlichen Sinn eines alten Begriffs erfassen). Die Angabe der formalen Richtigkeit bedingt die Beschreibung der formalen Sprache, in welcher die Definition gegeben wird (141).

Extension/Intension von „wahr“: Tarski bestimmt Aussagen als Extension von „wahr“. Dies hat zur Folge, dass der Wahrheitsbegriff sprachrelativ ist. Problematischer ist hingegen die Intension. (142). Tarski führt die Intuition von Aristoteles an: Won etwas, das ist, zu sagen, dass es nicht ist, oder von etwas das nicht ist, zu sagen, dass es ist, ist falsch, während von etwas das ist, zu sagen, dass es ist, oder von etwas, das nicht ist, dass es nicht ist, wahr ist (142/143). Oder modern: Korrespondenztheorie der Wahrheit (auf diese Stelle stützen sich entsprechende Interpreten), d.h. eine Aussage ist wahr, wenn sie einen existierenden Sachverhalt bezeichnet. Die bisherigen Versuche haben sich aber als nicht befriedigend erwiesen (143).

W-Konvention: Die Wahrheitsdefinition muss u.a. folgende Äquivalenz implizieren: Die Aussage „Schnee ist weiss“ ist wahr genau dann, wenn Schnee weiss ist (143). Unpräzise Kommentierung: Rechts ist die Aussage selbst (besser: deren metasprachliche Übersetzung, suppositio materialis), links der Name der Aussage, suppositio formalis). Zur Namensbildung: Anführungszeichen; struktural-deskriptiv (144). Verallgemeinerung: x ist wahr genau dann wenn p (x: name der Aussage; p: Übersetzung der Aussage). Die Verallgemeinerung heisst W-Konvention (Äquivalenz der Form T). Sachlich angemessen heisst jetzt: Alle Äquivalenzen der Form T können behauptet werden. Formal richtig heisst jetzt: Alle Äquivalenzen folgen aus der W-Konvention. Die W-Konvention selbst ist nicht die Definition (kein Satz, sondern Schema einer Aussage) und auch nicht ein einzelner Fall, sondern gewissermassen die logische Konjunktion aller Fälle (und da liegen die konkreten Probleme) (145).

Wahrheit als semantisches Prädikat: Was ist Semantik? Sie beschäftigt sich grob mit den Beziehungen zwischen sprachlichen Ausdrücken und den Gegenständen (oder Sachverhalten) auf die sich diese Ausdrücke beziehen. Begriffe wie „Bezeichnen“ (Referenz), „Erfüllung“ und „Definition“ sind semantische Begriffe. Wahrheit wird bei Tarski mittels Erfüllung eingeführt, demnach ist auch Wahrheit ein semantisches Prädikat (146). Problem semantischer Terme: Antinomien (Lügner, Definierbarkeit?, heterologische Terme?) (147). Antinomien müssen ernstgenommen werden, denn man ist gezwungen, eine falsche Aussage zu machen (150).

Sprachen mit bestimmten Strukturen: Man muss Struktur der Sprache exakt bestimmen, um Antinomien zu vermeiden. Man muss angeben: Undefinierte Terme; Regeln zur Definitionsbildung; Kriterien für die Bestimmung von Aussagen; Bedingungen über die Behauptbarkeit von Aussagen; Axiome; Schlussregeln für die Bildung neuer Aussagen (147/148). Wahrheitsproblem kann nur für formalisierte Sprachen gelöst werden (149).

Semantisch geschlossene Sprachen: Voraussetzungen des Lügnerparadoxons: Sprache enthält Namen von Ausdrücken und semantische Terme (ist semantisch geschlossen); es gelten die Gesetze der Logik; man kann empirische Prämissen, die zum Lügnerparadoxon führen, behaupten (150/151). Tarski verwirft erste Voraussetzung. Wissenschaftssprachen sind nicht semantisch geschlossen, da sprachliche Phänomene nicht zum Thema einer Wissenschaft gehören (wirklich nicht?) (151). Alltagssprache ist semantisch geschlossen und auch unpräzise (151/152).

Objekt- und Metasprache: Um semantische Probleme zu diskutieren, muss man Objektsprache-Metasprache-Unterscheidung einführen. Diese ist von relativer Natur, auch die Metasprache kann zur Objektsprache werden (Meta-Meta-Sprache braucht man dann) (152). Anforderungen an die Metasprache: Sie muss Ausdrücke der Objektsprache und deren Namen besitzen, ferner logische Ausdrücke und semantische Terme (153). Bedingungen für die Lösung des Hauptproblems: Metasprache muss wesentlich reichhaltiger als Objektsprache sein (dazu mehr im formalen Paper), ansonsten können sich wieder Antinomien ergeben (154/155). Bedingung der wesentlichen Reichhaltigkeit der Metasprache ist notwendig und hinreichend für Lösung des Problems (warum?).

Konstruktion der Definition: Begriff der Erfüllung einführen wegen Aussagefunktionen. Rekursives Verfahren für Definition einer Aussagefunktion. Erfüllung: Entsprechendes Einsetzen in offene Sätze (Problem: wer bestimmt die Gegenstände, die den Satz erfüllen?) (156). Definition von Erfüllung ebenfalls rekursiv (156/157). Definition von Wahrheit: Eine Aussage ist wahr, wenn sie von allen Gegenständen erfüllt wird. Diese Definition impliziert alle Äquivalenzen der Form T (157). Mit ihr kann man den Satz des Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten beweisen (semantische Gesetze, nicht verwechseln mit den logischen!). Klasse der wahren Aussagen fällt nicht mit der Klasse der beweisbaren zusammen (158).

Zur Richtigkeit der Definition: Debatte über das Wesen der Wahrheit ist für Tarski sinnlos (Problem zu unpräzise gestellt, auch 168). Eventuell gibt es mehrere verschiedene Begriffe von Wahrheit (160). Zum Argument des Zirkelschlusses (logische Ausdrücke werden gebraucht, die ebenfalls mit Termen „wahr“, „falsch“ definiert werden). Logische Ausdrücke werden aber nicht innerhalb des Systems definiert (?). auf der Ebene der Aussagelogik werden Junktoren als undefinierte Terme verwendet. Dort interessiert auch nicht die Frage nach der Wahrheit, sondern jene der Beweisbarkeit (demnach hat der Begriff „wahr“ in der Wahrheitstafel keine semantische Funktion)
Argument der unzulässigen Kürze der W-Konvention verwechselt Konvention mit Definition, sowie Konfusion von Aussagen und deren Namen (163/164).

Argument der Redundanz: Der semantische Term „wahr“ ist stets eliminierbar (165). Tarski gibt Beispiele, wo dies nicht der Fall zu sein scheint (z.B. „die erste von Plato gemachte Aussage ist wahr“). Elimination in gewissem Sinn ist stets möglich, doch das wendet sich gegen alle Definitionen (166).

Verwechslung von Definition und Kriterium: Manche wollen eine Teildefinition so angeben: „“Schnee ist weiss“ ist wahr, wenn Schnee tatsächlich weiss ist“. Dies erweckt den Eindruck, die W-Konvention gebe ein Kriterium für Wahrheit an, was nicht der Fall ist. ausserdem impliziert dieser Standpunkt einen unkritischen Realismus. Tarski ist der Ansicht, dass seine Konzeption ontologisch neutral ist (169). Launener: metaphysischer Idealismus (Wittgenstein, Traktatus) wird ausgeschlossen.
Einwand, die Semantik enthalte metaphysische Elemente. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Objektsprache selbst schon metaphysische Elemente hat (170-172).

Zur Anwendbarkeit der Semantik: Schon einmal deshalb, weil Sprachpräzisierungen zu einer exakten Wissenschaft beitragen. Anwendung z.B. in der Linguistik (174/175), in der Methodologie der empirischen Wissenschaften (175/176, z.B. um herauszufinden, ob ein System widersprüchlich ist, 178). Anwendung in den deduktiven Wissenschaften, z.B. Problem Wahrheit-Beweisbarkeit (179). Problematisch ist hingegen eine Anwendung in den empirischen Wissenschaften (offenbar ein Problem vorhanden: 174: Wissenschaftssprachen enthalten semantische Terme; 151: Wissenschaftssprachen semantisch offen). Die Objektsprache müsste reich genug sein, doch gibt es dann eine Metasprache, die entsprechend reicher ist, um die Antinomien auszuschalten?


Das Lügnerparadox: Vom Lügnerparadox gibt es verschiedene Varianten. Die einfachste ist: Dieser Satz ist falsch. Man kann in verschieden angreifen. So kann man sagen, der Satz sei Unsinn. Dies kann man aber nicht begründen. Er ist syntaktisch richtig. Weiter ist er zwar rückbezüglich, doch es gibt auch unproblematische rückbezügliche Sätze (Dieser Satz hat fünf Wörter). Ausserdem gibt es nichtrückbezügliche Varianten des Lügnerparadoxons. Auf welchen Voraussetzungen beruht das Argument? Offenbar vier: 1) Der Lügner-Satz sagt, dass der Satz falsch ist und nichts anderes. 2) Wenn ein Satz s wahr ist und p behauptet und nichts anderes, dann ist p der Fall. 3) Wenn p der Fall ist und ein satz s sagt nur, dass p der Fall ist, dann ist s wahr. 4) Jeder Satz ist wahr oder falsch (Bivalenzprinzip). Satz 1 ist offensichtlich unproblematisch. Die Lösung des Lügnerparadoxons muss also Sätze 2 bis 4 untersuchen.

An die Lösung des Paradoxons kann man fünf Adäquatheitsbedingungen stellen: 1) Die Lösung muss zeigen, welche Voraussetzung aufgegeben werden muss. 2) Keine Ad-Hoc-Lösungen, d.h. man darf Voraussetzung nicht allein aus diesem Grund fallenlassen, um das Paradox zu lösen, da man vielleicht einen zu hohen Preis zahlt. 3) Die Lösung darf nicht dazu führen, dass wir zuviel aufgeben müssen, was unproblematisch ist. 4) Die Lösung muss mit allen Versionen des Paradoxons fertigwerden. 5) Die Lösung sollte mit unseren Intuitionen über das Prädikat „wahr“ und über jene der Gültigkeit von Schlüssen vereinbar sein. Dies Bedingungen kann man natürlich angreifen.

Ein Überblick über die möglichen Lösungsvarianten: Russells Typentheorie. Das Lügnerparadox verstösst gegen das Teufelskreisprinzip. In diesem Fall darf man keine Propositionen über alle Propositionen (einschliesslich die Proposition selbst) verwenden. Die Typentheorie hierarchisiert die möglichen Propositionen und vermeidet den Teufelskreis. Die Typentheorie löst im übrigen auch andere Paradoxien).

Tarskis Objektsprache-Metasprache-Unterscheidung. Das Paradox tritt auf, weil die natürliche Sprache semantisch geschlossen ist. In diesen Sprachen ist eine Wahheitsdefinition gar nicht möglich. Semantische Prädikate dürfen sich nur in der Metasprache befinden und sie dürfen sich im weiteren nur auf die Objektsprache beziehen (ad-hoc-Verdacht. Was ist, wenn man zwar unterteilen kann, aber nicht hierarchisieren? Dann lautet das Paradox (Kripke): Der nächste Satz ist falsch-in-der-Objektsprache. Der vorherige Satz ist falsch-in-der-Metasprache)).
Verneinung der Bivalenz (z.B. durch Kripke). Doch es gibt Versionen des Paradox, die selbst dann funktionieren. Ausserdem ist die Aufgabe des Bivalenzprinzips ein hoher Preis (zudem besteht ad-hoc-Verdacht).

Skizze von Tarskis Vorgehen: Grundsätzlich sieht Tarski zwei Methoden: eine axiomatische (d.h. semantische Begriffe werden als Grundbegriffe in die Metasprache eingebracht und ihre Eigenschaften werden auf axiomatischem Weg festgelegt) oder eine Methode, welche die Semantik auf die „Morphologie der Sprache“ zurückführt (vgl. auch mit seinem physikalistischen Programm). Erste Methode lehnt Tarski ab, weil die Setzung von Axiomen zu willkürlich erscheint. Die zweite Methode gliedert sich in drei Schritte: Zuerst muss die Objektsprache beschrieben werden. Die Objektsprache muss dabei einen strukturellen Charakter haben, d.h. es dürfen nur solche Begriffe verwendet werden, die sich auf die Gestalt und Anordnung der Zeichen und anderen Ausdrücken der Sprache beziehen. Der zweite Schritt besteht in der Konstruktion der Metasprache, welche vom Wortschaft her reicher sein muss, als die Objektsprache (sie enthält Namen und Übersetzungen der objektsprachlichen Terme, logische Konstanten und natürlich semantische Terme). Drittens müssen schliesslich die Adäquatheitsbedingungen für den Gebrauch der semantischen Termen der Metasprache angegeben werden. Diese semantische Konvention wird in der Meta-Metasprache getroffen.

Tarskis Theorie: Tarskis Wahrheitsträger sind Sätze. Er will das Schema „(s)(s ist wahr  ...)“ vervollständigen. Zuerst stellt er die W-Konvention auf: x ist wahr  p. x ist dabei ein Name eines objektsprachlichen Satzes, p dessen Übersetzung. Die W-Konvention ist nicht die Wahrheitsdefinition, denn die Konvention ist ein Schema (d.h. ist offen) und demnach weder wahr noch falsch.
Für endlich viele Sätze ist das kein Problem. Ausgehend vom W-Satz (z.B.) „“Sirup ist gut“ ist wahr  Sirup ist gut“ bildet man die Konjunktion aller (endlich vielen) Sätze und erhält damit die Definition. Ein einzelner W-Satz heisst Teildefinition. Für endlich viele Sätze braucht man den Begriff der Erfüllung nicht.

Lässt man logische Junktoren zu, sind selbst bei endlich vielen Basissätzen unendlich viele Sätze möglich und man kann die Definition nicht bilden (sie wäre unendlich gross). Hier bietet sich die Möglichkeit der Rekursion an, d.h. man baut die Vorschrift, wie man komplexe Sätze bildet, in die Definition ein. Auch das funktioniert ohne den Begriff der Erfüllung, solange man eine endliche Anzahl Basissätze und Junktoren hat.
Tarski will aber mehr. Er will insbesondere eine Wahrheitsdefinition für die Prädikatenlogik erster Stufe (mit deren Hilfe man mathematische Probleme untersuchen kann). Zwei Problemfälle tauchen dabei auf: Offene Sätze und Quantoren. Offene Sätze sind keine Sätze und demnach funktioniert obiges Verfahren nicht mehr (ein offener Satz ist weder wahr noch falsch). Offene Sätze schliesst man durch Einführen von Namen oder Bindung der Variablen mit einem Quantor. Aus offenen Elementarsätzen lassen sich mit Junktoren unendlich viele Sätze bilden, deren Wahrheitswert nicht durch den Wahrheitswert der Teilsätze bestimmt ist (denn diese haben keinen). Dieses Problem löste Tarski. Frage: Welche Eigenschaft mit folgender Charakteristik kann man offenen Sätzen zuschreiben: offene und geschlossene Sätze haben sie; die Eigenschaften der Teilsätze bestimmt die Eigenschaft des ganzen Satzes; man kann Wahrheit durch „Haben oder Nichthaben dieser Eigenschaft“ definieren, wobei alle W-Sätze ableitbar sind. Diese Eigenschaft heisst Erfüllbarkeit.

Erfüllbarkeit ist eine relationale Eigenschaft zwischen einer Sequenz von Objekten und einem (offe-nen) Satz. Tarski muss mit Sequenzen arbeiten, um mehrstellige Prädikate befriedigend behandeln zu können. Bei Allquantoren, Existenzquantoren und durch Individuenkonstanten geschlossene Sätze müssen alle Sequenzen die Sätze erfüllen, wenn eine Sequenz den Satz erfüllt. Für die Erfüllung lässt sich die Definition rekursiv geben. Die Wahrheitsdefinition lautet dann: (s)(s ist wahr  s wird durch alle (oder eine) Sequenz erfüllt).

Ein Problem für Tarski: Für jedes Prädikat der Sprache braucht man eine andere Klausel (liegt hier das Problem der Referenz, bzw. wer die Listen macht?). Tarskis Definition geht also nur für Sprachen mit einer endlichen Anzahl von Prädikaten. In ihrer ursprünglichen Art ist Tarskis Konzeption für natürliche Sprachen nicht anwendbar (weiteres Problem für Sprachen mit Namen, diese werden durch Denotation eingeführt. Damit funktioniert Tarskis Reduktionismus nicht mehr). Tarski glaubt nicht, dass man für natürliche Sprachen eine Wahrheitskonzeption einführen kann, weil diese semantisch geschlossen sind (d.h. die Objektsprache enthält schon den Begriff wahr, Antinomien sind unausweichlich). Tarski hat nur ein „wahr in der Sprache L“ definiert, d.h. sein Wahrheitsbegriff ist sprachrelativ.


Alfred Tarski: The Concept of Truth in Formalized Languages

Einführung: Ziel: Eine material adäquate und formal korrekte Wahrheitsdefinition (152). Keine Analyse der alltagssprachlichen Verwendung. Betonung der Sprachabhängigkeit. Materiale Adäquatheit durch Befolgung der Intuition der Korrespondenztheorie (153). Kurze Inhaltsübersicht (153/154).

Konzept der Wahrheit in der natürlichen Sprache: Startpunkt: Definition muss mit folgendem Schema kompatibel sein: x ist eine wahre Aussage, genau dann wenn p (155). p steht für eine Aussage, x für deren Namen. Zur Frage der Namensbildung: Anführungszeichen; strukturell-deskriptive Namen (156, Beispiel eines strukturell-deskriptiven Namens auf 157). Ein Problem für natürliche Sprachen: Lügner-Paradox (157). Darstellung des Paradox (158, Lösung folgt später).

Weiteres Problem: Anführungsnamen (158): Versuch, obiges Schema zu explizieren: (p)(„p“ ist wahr  p). Das geht nicht, man soll alle Möglichkeiten der Namensgebung zulassen. Neuer Ansatz: (x){x ist wahr  (p)[(x = „p“)  p]} (159). Doch das Problem liegt in den Anführungsnamen: Namen können keine unabhängige Bedeutung besitzen (verstehe nicht alles 159/160). Anderer Ansatz: Anführungsnamen als syntaktisch zusammengesetzt betrachten, bestehend aus Anführungszeichen und dem Ausdruck, den jene umschliessen (160). Anführungszeichen als Funktoren betrachten (Elemente der Metasprache, einstellige Funktoren), doch man kann diese keine Bedeutung geben (161). Weiter ergibt sich erneut das Lügnerparadox (161/162). Deshalb erscheint auch die neue Version des obigen Schemas zweifelhaft (162).
Es gibt einen anderen Weg, den axiomatischen (?). Wahre Aussagen rein aufgrund von Struktureigenschaften bestimmen (163). Doch auch das ist problematisch: Grundproblem: semantische Geschlossenheit der natürlichen Sprache (vgl. erster Tarski-Text bezüglich Voraussetzungen des Lügnerparadox) (164/165).

Formalisierte Sprachen: Eigenschaften aller formalen Sprachen: Zeichensatz gegeben; Kritereien zur Bildung gültiger Aussagen; Liste von Axiomen; Aufbauregeln. Forderung an Ausdrücke: Beziehung zur Empirie (166). Wichtige Unterscheidung: Objektsprache-Metasprache (167).
Einführung der Wahrheitsdefinition am Beispiel des Klassenkalküls: Zeichensatz besteht aus Konstanten und Variablen. Konstanten: Negation; Disjunktion; Allquantor; Mengeninklusion. Variablen: Klassen von Individuen (168/169). Ausdrücke der Sprache bestehen aus Konstanten, Variablen und deren Komplexen (169). Woraus die Metasprache besteht: Ausdrücke von allgemeinlogischem Charakter: Analoga zu den logischen Konstanten der Objektsprache; spezielle Ausdrücke wie Identität (=), Element von (), Bezeichnungen für die Einführung von Ordnungsrelationen (wie >, < usw.); Ausdrücke aus der Relationenlogik (z.B. R für xRy), inkl. Konzept der Sequenz (170-172). Dazu struktural-deskriptive Terme: Namen für die Ausdrücke des Klassenkalküls. Somit hat man in der Metasprache Übersetzungen und Namen zur Verfügung! (172). Aufbau des Axiomensystems der Metasprache (definieren, was als Ausdrücke der Metasprache gelten kann und sorgt dafür, dass die Ausdrücke nicht unendlich gross werden, was bedeutet categorical?) (173/174). Danach Definition der Begriffe: Inklusion; Negation; logische Summe; logisches Produkt; universale Quantifizierung; Satzfunktion; freie Variable; Satz; Axiom; Substitution; Konsequenz (vom Grade n); Konsequenz; Theorem (beweisbarer Satz) (175-182). (Problem von Existenzbehauptungen, 183-185 ?). Weitere Definitionen: deduktives System; konsistente Klasse; vollständige Klasse; Äquivalenz (185).

Konzeption der Wahrheit in der Sprache des Klassenkalküls: Eine Vorbemerkung wahr ist nicht gleich beweisbar (das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten ist im Bereich der beweisbaren Sätze nicht gültig?). Es gibt mehr wahre als beweisbare Aussagen (186). Einführung der W-Konvention: Eine formal korrekte Definition des Symbols „Tr“ (bezeichnet die Klasse aller wahren Aussagen) formuliert in der Metasprache heisst adäquate Definition der Wahrheit, wenn: 1) die Definition alle Sätze, die aus dem Ausdruck „(x  Tr)  p“ durch Ersetzung des Symbols „x“ durch einen strukturell-deskriptiven Namen eines Satzes der Objektsprache und der Ersetzung des Symbols „p“ durch eine Übersetzung dieses Satzes folgen, zur Folge hat, 2) die Definition den Satz „(x)[(x  Tr)  (x  s)]“ zur Folge hat (S: Klasse der Aussagen) (187/188).
Zur Konstruktion der Definition: Unproblematisch, wenn nur endlich viele Sätze da sind (188). Problem bei unendlich vielen Sätzen (188/189). Erster Ansatz: rekursive Methode. Das Problem: die offenen Sätze. Die Lösung: Begriff der Erfüllung (189).

Zum Erfüllungsbegriff. Einfachster Fall: der offene Satz hat nur eine freie Variable (189/190). Der Fall beliebig vieler Variablen braucht den Begriff der Sequenz (191). Einführen der rekursiven Methode zur Formulierung des begriffsa der Erfüllung eines offenen Satzes durch eine Sequenz von Klassen (192/193). Daraus folgt der Begriff der Wahrheit. Wenn keine freien Variablen da sind, erfüllt entweder jede Sequenz den Satz oder gar keine (194). Definition des wahren Satzes: (x  Tr)  [(x  S)  jede unendliche Sequenz von Klassen erfüllt x]. Der Beweis, dass diese Definition alle Äquivalenzen der W-Konvention zur Folge hat, benötigt einen Beweis auf der Meta-Meta-Stufe (195). Ansonsten muss man die Methode der Verifikation verwenden, will man die Metasprache nicht verlassen (bringt das nicht Probleme?) (196). Die Definition ist kein Kriterium (197).
Theoreme, die aus der Definition folgen: Prinzip der Kontradiktion, Prinzip des ausgeschlossenen Dritten (Unterschied?). Menge der Konsequenzen der Elemente von Tr ist in Tr enthalten. Tr ist ein konsistentes und vollständiges deduktives System. Jeder beweisbare Satz ist wahr. Es gibt wahre Sätze, die nicht beweisbar sind. Die Klasse der beweisbaren Sätze ist konsistent aber nicht vollständig. (197-199).
Weitere Definitionen: Erfüllung in einer individuellen Domäne (Begriff der Kardinalszahl für Mengen). Weitere Theoreme, die ich nicht verstehe (?) (200-208).

Begriff der Wahrheit in Sprachen endlicher Ordnung: Im Folgenden soll die oben vorgestellte Methode verallgemeinert werden und deren Grenzen aufgezeigt werden (209). Dies hat aber die Form einer Skizze, denn man müsste die konkreten Sprachen untersuchen, wenn man die Definition explizit einführen will. Dies wird bei jeder Sprache anders sein (209/210). Zur Konstruktion der Metasprache. Sie muss drei Arten von Ausdrücken bereithalten: Allgemein-logische Ausdrücke; Ausdrücke, um jeden objektsprachlichen Satz übersetzen zu können; Ausdrücke, um jedem objektsprachlichen Satz einen Namen geben zu können (210/211). So muss das Axiomensystem der Objektsprache in die Metasprache übertragen werden können (211). Weiter muss man aus der Menge aller Ausdrücke die Sätze und Satzfunktionen (offene Sätze) aussortieren können, vor allem die einfachsten Satzfunktionen. Diese Spezifikation hängt von der konkreten Sprache ab (212). Weiter muss man einführen die: Satzbildenden Funktoren (um aus offenen Sätzen geschlossene zu machen, ?); Satzoperatoren (um aus einfachen Sätzen komplexe zu machen); die Konzepte Axiom, Konsequenz, Theorem (213/214).

Die Einführung der Wahrheitsdefinition geht über den Begriff der Erfüllung einer Satzfunktion durch eine Sequenz von Objekten (214). Wichtig ist dabei der Begriff der semantischen Kategorie (das Analogon zur Typentheorie, inwiefern?) (215). Keine präziste Strukturdefinition einer semantischen Kategorie wird angegeben. Identitätskriterium für eine semantische Kategorie: Zwei Ausdrücke gehören zu derselben semantischen Kategorie, wenn es eine Satzfunktion gibt, die eine dieser beiden Ausdrücke enthält (wie geht das?) und wenn diese Satzfunktion eine solche bleibt, wenn der eine Ausdruck durch den anderen ersetzt wird. Durch das Prinzip der Abstraktion (?) kann die Menge der Ausdrücke in disjunkte Teilmengen zerlegt werden, die jeweils eine semantische Kategorie bilden. Beispiele: Kategorie der Satzfunktionen, Kategorie der Namen von Individuen, Kategorie der Klassen von Individuen usw. (analog Typentheorie) (216). Die Funktoren zweier primitiver Satzfunktionen gehören zu derselben Kategorie, genau dann wenn die Zahl der Argumente beider Funktoren gleich ist und die Argumente jeweils zu derselben semantischen Kategorie gehören (217). Die Klassifikation semantischer Kategorien geht über den Begriff der Ordnung (mir nicht ganz klar?). Satzfunktionen kann man aufgrund der semantischen Kategorie von deren freien Variablen klassifizieren. Zwei Satzfunktionen besitzen denselben semantischen Typ, wenn die Anzahl der freien Variablen derselben semantischen Kategorie in beiden Satzfunktionen gleich ist. Die Klasse aller Satzfunktionen desselben Typs heisst semantischer Typ (?) (219). Die Sprache eines vollständigen Systems der Logik muss alle möglichen semantischen Kategorien enthalten, die in den deduktiven Wissenschaften auftreten können (?).

Diese Überlegungen sind nötig, um die möglichen Sprachen zu klassifizieren. Es gibt deren vier: 1) Sprachen, wo alle Variablen zu ein und derselben semantischen Kategorie gehören. 2) Sprachen, deren Anzahl Kategorien in welche die Variablen eingeschlossen sind, ist grösser als 1 aber endlich. 3) Sprachen, deren Variablen zu unendlich vielen Kategorien gehören, doch die Ordnung der Variablen übersteigt eine gegebene natürliche Zahl n nicht. 4) Sprachen mit Variablen beliebiger Ordnung. Die Sprachen 1 bis 3 heissen Sprachen endlicher Ordnung, Sprachen der Klasse 4 heissen Sprachen mit unendlicher Ordnung.

Untersuchung der Sprachen endlicher Ordnung der ersten Art: Ein Beispiel: der Klassenkalkül. Hier bietet die Einführung des Erfüllungs- und damit des Wahrheitsbegriffs keine Probleme (221/222).

Sprache endlicher Ordnung der zweiten Art: Beispiel: Logik der zweistelligen Relationen (was genau ist das?) , mit den Konstanten: Negation, logische Summe (Konjunktion?), Allquantor. Variablen der ersten Ordnung bezeichnen Namen von Individuen, Variablen der zweiten Ordnung bezeichnen zweistellige Relationen zwischen Individuen (222). Problem: Wenn man Metasprache formalisiert braucht man unendliche viele Terme anstelle des Terms „Erfüllung“ (?) (224/225). Eine Reihe von Problemen, z.B. können offene Sätze Variablen verschiedener semantischer Kategorien enthalten (226/227). Zwei Varianten zur Lösung des Problems: Methode der „mehrfach gereihten Sequenzen“; Methode der semantischen Unifizierung der Variablen (?). Methode 1 betrachtet Erfüllung als dreistellige Relation (und nicht als zweistellige) zwischen Sequenzen von Individuen, Sequenzen von Relationen zwischen den Individuen und Satzfunktionen. Das geordnete Paar dieser zwei Sequenzen heisst zwei-gereihte Sequenz (227). Zur Methode 2: Sätze über Individuen können in äquivalente Sätze über Relationen verwandelt werden. D.h. man hat nachher nur noch eine Art von Variablen und mann kann operieren wie bei Sprachen der Klasse 1 (?) (228/229).

Sprachen endlicher Ordnung der dritten Art: Beispiel: Logik der n-stelligen Relationen (231). Hier klappt obige Methode 1 nicht mehr (erfüllung wäre wieder eine unendlichstellige Relation ?) (232). Die Methode der semantischen Unifikation funktioniert hingegen (?) (233-235).
Eine Zusammenfassung: Die Definition der Wahrheit ist korrekt im Sinn der W-Konvention. Es folgt u.a.: alle Axiome der untersuchten Sprache sind wahr. Alle Konsequenzen wahrer Sätze sind wahr. die Klasse der wahren Sätze umfasst die Klasse der beweisbaren. Das Prinzip der Kontradiktion und das Prinzip des ausgeschlossenen Dritten sind ableitbar. Die Klasse der wahren Sätze ist konsistent und vollständig. Für Systeme, in denen man die Wahrheitsdefinition konstruieren kann, kann man einen Konsistenzbeweis finden (236). (Zum Begriff der Korrektheit in einer Domäne, ?) (239/240).

Begriff der Wahrheit in Sprachen unendlicher Ordnung: Beispiel einer Sprache unendlicher Ordnung: Allgemeine Klassentheorie (mit dieser Sprache lassen sich sämtliche Aussagen der mathematischen Logik formulieren) (241). Darin gibt es k-te Variablen der n-ten Ordnung (Individuennamen, Objekte von erster Ordnung (?), Klassen von Individuen, Objekte von zweiter Ordnung, Klassen solcher Objekte usw. Diese Variablen gehören zu unendlich vielen semantischen Kategorien (242) Weiteres zu diesen Variablen (242/243). In diesem Fall funktionieren die obigen Methoden nicht. auch die Methode der semantischen Unifikation versagt, denn die vereinigende Kategorie kann nicht von tieferer Ordnung sein, als die höchste Ordnung der Variable der Sprache. In diesem Fall kommen aber Variablen von unendlichfacher Ordnung vor (244). Die rekursive Definition von Erfüllung muss unendlich viele Begriffe umfassen (?), was ausserhalb der Möglichkeit der Sprache liegt (245). Man kann demnach auch keine Definition der Wahrheit für solche Sprachen geben (246).

Tarski zeigt weiter auf, dass das Problem fundamental ist. Diese Diskussion muss auf der Ebene der Meta-Metatheorie geführt werden (246). Dazu muss folgendes Theorem bewiesen werden: 1) In was für eine Weise auch immer das Symbol „Tr“ (das eine Klasse von Ausdrücken bezeichnet) in der Metatheorie definiert wird, ist es möglich, die Negation einer der Aussagen, welche aus der W-Konvention folgen muss, abzuleiten (d.h. ein Widerspruch ist erzeugbar). 2) angenommen dass die Klasse aller beweisbaren Sätze der Metatheorie konsistent ist, ist es unmöglich eine adäquate Definition von Wahrheit zu erzeugen im Sinn der W-Konvention auf der Basis der Metatheorie (247). Beweisidee auf 249-251.Bemerkungen zur Metatheorie: Diese entspricht der Morphologie der Sprache (?) (251). (weitere Ausführungen, warum es nicht geht 252-254, ?). Eine Folge des Theorems: es ist nicht möglich, in der Metatheorie eine vollständige Menge (material, ?) wahrer Aussagen zu definieren (254). Semantik als deduktive Wissenschaft (255).

Ein Teilerfolg ist aber möglich: Wahrheit ist definierbar bei Einschränkungen. Dazu Theorem II: Für eine beliebige, vorläufig gegebene natürliche Zahl k ist es möglich eine Definition für das Symbol „Tr“ auf der Basis der Metatheorie zu definieren, die unter ihren Folgerungen all jene der W-Konvention hat, wobei objektsprachliche Sätze mit Variablen von höchstens der Ordnung k auftreten dürfen (d.h. das Theorem schränkt die Sprache auf endliche Ordnung ein, 255). Dazu noch Theorem III: Wenn die Klasse aller beweisbaren Sätze der Metatheorie konsistent ist und wenn man zur Metatheorie das Symbol „Tr“ als neues primitives Zeichen hinzufügt und alle Theoreme, die durch die W-Konvention beschrieben werden, als Axiome hinzufügt, dann wird die dadurch erweiterte Klasse der beweisbaren Sätze ebenfalls konsistent sein (256). Man kann dieses Axiomensystem natürlich durch weiter Axiome ergänzen (257). Ein Grundproblem: Das Hinzufügen solcher neuer Axiome hat immer einen zufälligen Charakter (258). Etwas zur Regel der unendlichen Induktion (?) (258-261). Beweisprbleme für Theorem III unter Einbezug der Regel der unendlichen Induktion (261).

Zusammenfassung: Drei Punkte (265/266): 1) Für jede formalisierte Sprache endlicher Ordnung kann eine formal korrekte und material adäquate Definition der Wahrheit eines Satzes in der Metasprache konstruiert werden. Dabei werden nur allgemein-logische Ausdrücke, Ausdrücke der Sprache selbst und Terme, die zur Morphologie der Sprache gehören (Namen linguistischer Ausdrücke und der strukturalen Relationen zwischen den Ausdrücken), gebraucht. Alternative Version: Die Semantik jeder formalisierten Sprache endlicher Ordnung kann als Teil der Morphologie der Sprache aufgebaut werden. 2) Für formalisierte Sprachen unendlicher Ordnung kann es keine solche Definition geben. Alternative Version: Es kann keine Semantik für solche Sprachen im obigen Sinn geben. 3) Andererseits kann man, selbst unter Berücksichtigung von Sprachen unendlicher Ordnung, einen konsistenten und korrekten Gebrauch des Wahrheitsbegriffs dadurch ermöglichen, indem man den Wahrheitsbegriff in das System der primitiven Begriffe einfügt und seine fundamentalen Eigenschaften mit der axiomatischen Methode bestimmt. Alternative Version: Die Semantik jeder formalisierten Sprache unendlicher Ordnung kann als unabhängige Wissenschaft etabliert werden basierend auf ihre eigenen primitiven Konzepte und Axiome, wobei ihre logische Fundierung durch ein System der Morphologie der Sprache gegeben wird (?).

Postskript: Sein Problem: Was passiert, wenn man das Konzept der semantischen Kategorie nicht mehr anwenden kann (268). Das kann z.B. bedeuten, dass ein und dasselbe Zeichen für einen Funktor in zwei oder mehr Satzfunktionen steht...(?) (269). Zum Begriff Ordnungszahl (analog wie in der Mengenlehre, 270). Da es Variablen transfiniter Ordnung gibt (wie würden diese aussehen?), kann man immer eine Metasprache konstruieren, deren Ordnung höher ist, als jene der Objektsprache (271/272), oder eben nicht immer, wie er später sagt(?). Sein neues Resultat: 1) Für jede formalisierte Sprache kann eine formal korrekte und material adäquate Definition eines wahren Satzes konstruiert werden (nur mit der Hilfe allgemein-logischer Ausdrücke, mit Ausdrücken der Sprache selbst und mit Ausdrücken der Morphologie der Sprache) wenn die Metasprache von höherer Ordnung ist, als die Objektsprache. 2) Ist die Ordnung der Metasprache höchstens gleich jeder der Objektsprache, geht dies nicht (273). Diese Resultate haben eine Beziehung zu Gödels Unvollständigkeitsbeweis. Dazu eine Beispiel eines Satzes, der unentscheidbar ist und doch wahr (274-276). Man kann für jede deduktive Wissenschaft, welche die Arithmetik enthält, bestimmte arithmetische Ausdrücke (die intuitiv zu dieser Wissenschaft gehören) zwar spezifizieren,aber nicht auf der Basis dieser Wissenschaft bewiesen werden (?).


Tarski als Korresponztheoretiker?: Tarski glaubte, sein Ansatz würde die Korrespondenztheorie retten. Doch dies kann man bestreiten: So ist Tarskis Definition sprachrelativ, was die Korrespondenztheorie wohl nicht erlaubt. Eine sprachrelative Korrespondenztheorie müsste eine semantische Relation zwischen Fakten und Sätzen etablieren, was Tarski aufgrund seines Programms nicht akzeptieren würde.

Tarski und der Physikalismus: Tarskis Physikalismus steht in der Tradition des Wiener Kreises. Deshalb baut seine W-Konvention auf extensionale Äquivalenz auf (Field kritisiert, dass Tarski eigentlich das naturalistische Projekt hätte durchführen müssen, um seinen Physikalismus durchzuhalten. Tarski hat eben auf einem „primitiven Physikalismus“ aufgebaut).


6. Einwände zu Tarski

Einwand des Platonismus: Der Semantik wurde entgegengehalten, sie setze zeitlos-ideales Sein als bestehend voraus (Platonische Wesensheiten). Dazu gibt es zwei Varianten: 1) Es gebe so etwas wie einen Wahrheitsbegriff gar nicht. dem ist entgegenzuhalten, dass Tarski dies auch nicht behauptet. Im Gegenteil: Wahrheit ist sprachrelativ (wahr in S). 2) Die Designata sprachlicher Ausdrücke (z.B. Extension, Intension) seien platonische Wesensheiten. Doch die Semantik behauptet auch das nicht

Einwand gegen die „Unrichtigkeit“: Es wird behauptet, Tarski löse das „philosophische Problem der Wahrheit“ nicht. Doch was ist das? Jede Begriffsexplikation mehrdeutiger Ausdrücke (und „wahr“ ist wohl ein solcher) verlangt inhärent eine Beschränkung, d.h. nicht alle Bedeutungen können zugleich als Explikanda genommen werden. dies kann man Tarski nicht vorwerfen.

Einwand der Nichtverifizierbarkeit des Wahrheitsbegriffs: Einwand der Neopositivisten. Er beruht auf die unstatthafte Gleichsetzung von „Wahrheit“ und „Wissen“, bzw. einer Verwechslung des Projektes Wahrheitstheorie und des Rechtfertigungsprojektes.

„Primitivitäts-Einwand“: Die formalen Sprachen sind unbrauchbar und eine Wahrheitsdefinition, die sich auf formale Sprachen bezieht, ist demnach nutzlos. Dem ist entgegenzuhalten: Erstens muss jede Wissenschaft von idealisierenden Voraussetzungen ausgehen. Ausserdem kann es durchaus nützlich sein, eine ideale Wissenschaftssprache zu entwickeln. In der (Meta-)Mathematik hat sich das schon als sehr nützlich erwiesen. Formale Techniken sind im übrigen für die genaue Untersuchung von Argumenten unumgänglich.

Regress-Einwand: Für jede Sprachstufe braucht man eine höhere, um in der unteren die semantischen Prädikate einführen zu können, d.h. man braucht unendlich viele, will man ein geschlossenes semantisches System. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Idee eines geschlossenen semantischen Systems in der Tat utopisch ist. Für die oberste Metasprache kommt nur die Umgangssprache in Frage, eine Voraussetzungslose Semantik ist nicht möglich.

Einwand gegen die Adäquatheitsbedingung: An Tarskis Adäquatheitsbedingung wurde kritisiert (Susan Haack), sie sei kompatibel mit Sätzen wie: „(s)(s ist wahr  s steht in der Bibel)“. Dem kann man entgegenhalten, dass ein solcher Satz aus der Bedingung folgen muss (und nicht nur kompatibel ist). weiter wurde von Haack kritisiert, Tarskis Bedingung funktioniere nur, wenn das Bilavenzprinzip akzeptiert wird. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Ablehnung des Bivalenzprinzips nicht unproblematisch ist. Ausserdem ist anfechtbar, inwieweit die Adäquatheitsbedingung das Bivalenzprinzip wirklich voraussetzt. So kann man von einer dreiwertigen Logik ausgehen (dritter Wert: unbestimmt) den Satz „p  q“ nicht als falsch ansehen, wenn p wahr ist und q unbestimmt, sondern als unbestimmt.

Tarski und das Rechtfertigungsprojekt: Gewisse Einwände gegen Tarski sagen, dass seine Konzeption kein Mittel liefert, herauszufinden, ob etwas wirklich wahr ist. Dieser Einwand verwechselt das Projekt Wahrheitstheorie mit dem Projekt Rechtfertigungstheorie.

Relativitätseinwand: Gegen Tarski wurde eingewendet, seine Konzeption ist sprachrelativ und demzufolge unbrauchbar. Dem kann man entgegenhalten, dass man eine Sprache verstehen muss, um überhaupt erst eine Definition von Wahrheit finden zu können (?). Wenn man aber die transsprachliche Essenz von Wahrheit (was ist das?) herausfinden will, funktioniert Tarskis Methode gar nicht. Der Relativismus beruht in Tarskis Programm, d.h. im Wunsch, semantische Terme eliminieren zu wollen (im Definiens kein semantisches Prädikat haben zu wollen).

Der Nichtssagendheit-Einwand: Es wird eingewendet, Tarskis Konzeption widerspreche keiner anderen Wahrheitstheorie und sein in diesem Sinne leer. Dieser Einwand beruht auf einer Kombination verschiedener Fehler: 1) Eine Verwechslung der Analyse des Prädikats „wahr“ unter Verwendung von „“ (und anderen logischen Konstanten) und der Analyse von „“ selbst. Nur wenn Tarski das Zweite hätte tun wollen, würde der Einwand stimmen. 2) Eine Tendenz zu behaupten, die Adäquatheitsbedingung müsse mit allen W-Sätzen kompatibel sein, anstelle der Aussage, die W-Sätze müssen aus der Adäquatheitsbedingung folgen. Um die Bedingung mit bestimmten Sätzen kompatibel zu machen, muss man die entsprechenden ontologischen Voraussetzungen in die Theorie einbauen. Sowohl eine instrumentalistische Theorie als auch eine Kohärenztheorie alleine würden W-Sätze zur Folge haben. 3) Das Scheitern, die verschiedenen Wahrheitsprojekte unterscheiden zu können. Rechtfertigungstheoretiker können Tarskis Konzeption vielleicht problemlos akzeptieren, aber nur deshalb, weil sie selbst keine Wahrheitstheorie präsentieren. Eine Theorie ist nicht deshalb trivial, weil sie von vielen akzeptiert werden kann, die ein anderes Projekt verfolgen. 4) Die Tendenz, Tarskis Theorie mit Ramseys Redundanztheorie in Verbindung zu bringen. Das geht nicht, denn Ramsey behauptet eine Synonymie zwischen „x ist wahr“ und „p“, während Tarski „“ verwendet. 5) Die Tendenz anzunehmen, dass Tarskis Konzeption ontologisch neutral ist (was er selbst glaubte). Doch bedeutet ontologische Neutralität auch, dass die Theorie mit allen anderen Wahrheitstheorien kompatibel ist? Die Diskussion um Wahrheit kann nicht auf eine Diskussion um Ontologie reduziert werden.


7. Kurz zu weiteren Ansätzen

Donald Davidson: Davidson sucht eine Wahrheitstheorie für natürliche Sprachen und ist der Ansicht, eine solche sei zugleich eine Bedeutungstheorie für natürliche Sprachen. Dazu will ein Axiomensystem liefern (?). Michael Dummett hat den Versuch angegriffen, Bedeutung und Wahrheit zu verbinden. Nach Puntel muss Davidson den Wahrheitsbegriff auf Perrsonen und Zeiten relativieren (das wäre ein grober Verstoss gegen die Intuition). (Tugendhat könnte man in etwa auch hier einordnen, doch darauf gehen wir nicht ein).

Jürgen Habermas: Konsens-, bzw. Diskurstheorie der Wahrheit. Wahrheit als Konsens ist eine verbreitete, oft aber unklare Ansicht. Wahrheit als Geltungsanspruch. Habermas sieht engen Zusammenhang zwischen Wahrheit und Diskurs. Wahrheit als diskursiv einlösbarer Geltungsanspruch (und wie löst man ihn ein? Indem man wahre Argumente verwendet? Idee erscheint letztlich unklar, wir sind aber kaum darauf eingegangen).

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