Wie viel Gentech verträgt die Landwirtschaft?
Bieler Tagblatt: Herr Baumann, warum haben Sie als Biobauer Angst vor der Freisetzung gentechnisch veränderter Pflanzen?
Ruedi Baumann: Dies ist nicht eine Frage der Angst, sondern des Risikos, das keinen Nutzen bringt. Die Schweizer Landwirtschaft ist heute auf einem guten Weg: sie beruht zu achzig Prozent auf biologischer oder integrierter Produktion. In diesem Konzept hat die Gentechnologie in ihrer jetzigen Form keinen Platz.
BT: Also stehen Gentechnik und Bio-Landbau im Widerspruch, Herr Mani?
Peter Mani: Das glaube ich ich nicht. Noch ist die Gentechnik am Anfang und ich halte es für falsch, die Chancen, welche diese neue Technologie auch in der Landwirtschaft bieten kann, aufgrund der ersten Produkte beurteilen zu wollen. Dabei muss gesagt werden, dass beispielsweise der Bt-Mais von Novartis zwar noch längst nicht nachhaltig ist, für bestimmte Arten der Produktionsweise aber besser ist als herkömmliche Sorten.
BT: „Für bestimmte Produktionsweisen“ heisst soviel wie Monokulturen?
Baumann: Genau darin liegt die Gefahr. Von den 28 Sorten auf dem Markt sind deren 27 herbizidresistent. Man kauft also das Saatgut von einer Firma und muss dann noch das Herbizid von der gleichen Firma kaufen. Dabei entstehen Abhängigkeiten. Zudem werden Totalherbizide eingesetzt, wahrlich der falsche Weg für eine nachhaltige Landwirtschaft.
Mani: Das ist richtig, doch man muss eins klar unterscheiden: Nicht der Einsatz der Gentechnik an sich, sondern die herbizidresistenten Pflanzen zementieren einen Weg in Richtung Monokultur. Ich teile die Ansicht von Herr Baumann, dass die jetzt auf dem Markt befindlichen Gentech-Pflanzen für den Schweizer Bauer nutzlos sind. Die Schweiz als reiches Land kann es sich leisten, voll auf den Bio-Landbau zu setzen. In anderen Ländern wird man aber nicht um eine Produktion im grossen Stil herumkommen. Und die jetzigen Gentech-Pflanzen sind auf diese Verhältnisse zugeschnitten, nicht auf den Mini-Markt Schweiz.
Baumann: Ich kenne Beispiele aus Illinois/USA, wo selbst auf Grossfarmen mit integrierten Methoden produziert wird - ohne Gentechnik.
BT: Doch das gentechnisch veränderte Saatgut ist bei den US-Bauern offenbar ein Renner?
Baumann: In solchen Einführungsphasen geben die Grossfirmen das Saatgut verbilligt ab. Dies führt zu diesem Run auf Gentech, doch dahinter steckt Kalkül: Die Saatgut-Multis verdrängen damit die kleinen Firmen vom Markt und schaffen Abhängigkeiten.
Mani: Dieses Problem ist sicher vorhanden, doch es hat mit Gentechnik direkt nichts zu tun. Bei jeder neuen Sorte - egal ob die jetzt mittels Gentechnik oder mit herkömmlichen Methoden produziert wurde - versuchen die Saatgut-Hersteller, ihr Produkt an möglichst viele zu verkaufen. Doch zu der von Ihnen befürchteten Abhängigkeit ist es bisher nicht gekommen. Sie haben das Beispiel von Illinois gebracht: Selbst in einem Land wie die USA, das stark auf die Karte Gentechnik setzt, können Grossfarmen alternativ produzieren.
Baumann: Doch was passiert, wenn dereinst mittels Gentechnik tatsächlich eine „Superpflanze“ hergestellt werden kann. Am Anfang sind alle euphorisch und sie wird auf dem halben Globus angepflanzt. Bald kommen Probleme mit Schädlingen, die sich an die neue Pflanze angepasst haben. Weil die lokalen Sorten verdrängt wurden, wird dies zu riesigen Schwierigkeiten führen.
BT: Herr Baumann, die Gentech-Gegner argumentieren oft so, dass Gentechnologie in der Landwirtschaft in keinem Fall irgendwelchen Nutzen bringen kann...
Baumann: Ich werde oft von meinen eigenen Leuten angegriffen, wenn ich sage: Warum kommt die Chemie nicht mit etwas sinnvollem? Pilzkrankheiten bei Kartoffeln beispielsweise sind auch im Bio-Landbau ein Problem. Würde die Industrie hier eine Gentech-Lösung präsentieren, wäre ich nicht von vornherein negativ eingestellt. Doch hier können die Multis viel weniger verdienen, als bei den herbizidresistenten Pflanzen. Deshalb machen sie es nicht.
Mani: Herr Baumann, Sie argumentieren meist sozialkritisch und ich teile Ihre geäusserten Bedenken. Doch die Politik der Multis ist nicht das Hauptproblem. Es gibt auch landwirtschaftsorientierte Forschungsprojekte in der Schweiz, die rein auf das Gemeinwohl ausgerichtet sind. Nehmen wir das Beispiel des Vitamin-A-Reis, der an der ETH Zürich entwickelt wird und für die Menschen in Asien von grossem Nutzen sein könnte, ohne dass irgendwelche Multis davon profitieren. Warum sollte man die Gentechnologie für das bezahlen lassen, was politisch falsch gelaufen ist?
Baumann: Die Forschung in diesem Projekt kann doch weitergehen, das verbietet die Initiative nicht.
Mani: Wird die Initiative angenommen so heisst das in diesem Fall, dass aus ethischen Überlegungen und wegen Sicherheitsbedenken Gentech-Pflanzen nicht freigesetzt werden können. Dann darf man doch nicht in der Schweiz forschen und die Pflanzen dann im Ausland freisetzen! Wie kann der Nationalfonds Forschungsprojekte unterstützen, deren Anwendung in der Schweiz verboten ist? Das ist ethisch höchst problematisch. Dazu kommt ein weiteres Problem. Ein Freisetzungsverbot in der Schweiz wird die Multis nicht davon abhalten, überall sonst ihr Gentech-Saatgut zu verkaufen. Die Schweiz kann mit einer Risikoforschung dazu beitragen, dass die damit zusammenhängenden Risiken erkannt werden. Ein Freisetzungsverbot verhindert aber auch diese Art von Forschung.
BT: Ist eine Risiko-Forschung, die mit Freisetzung verbunden ist, nicht zu riskant?
Mani: Will man die Risiken realistisch abschätzen, muss man letztlich freisetzen. Dies geschieht aber erst nach einer eingehenden Prüfung des Einzelfalls, auch im Labor. Damit schafft man die Voraussetzungen, bessere Lösungen zu finden. Nehmen wir das Beispiel vom Pollenflug. Man hat erkannt, dass der Pollen von transgenen Pflanzen in bestimmten Fällen ein Risiko darstellt, da sich das manipulierte Erbgut ausbreiten kann. Dies gab den Anlass zur Entwicklung neuer Pflanzen, wo die Manipulation des Erbguts nicht mehr im Zellkern passiert und damit kein genetisch veränderter Pollen produziert wird.
Baumann: Doch wird diese Risikoforschung wirklich seriös betrieben? Das Beispiel vom Bt-Mais zeigt doch: Plötzlich kommen Studien - natürlich nicht von der Industrie - die zeigen: der Bt-Mais schädigt Nützlinge wie Florfliegen und Bienen.
Mani: Das kann man so einfach nicht behaupten. Es handelt sich um Laborstudien, die unter ganz bestimmten Bedingungen diese Resultate liefern, in der Natur passiert das nicht. Andere Wissenschaftler bezweifeln zudem die Aussagekraft der Resultate. Im Fall der Bienen gibt es zudem klare Ergebnisse, die auf keine Schädigungen hinweisen.
BT: Wie kann es dazu kommen, dass die Forscher scheinbar widersprüchliche Resultate liefern?
Mani: Diese sogenannten Widersprüche sind Ausdruck einer vernünftigen Forschung. Man versucht eben, etablierte Aussagen in Frage zu stellen. Dann diskutiert man darüber, wie die verschiedenen Resultate zustande kommen und welche warum plausibler sind. Die Gentech-Gegner spielen diese Widersprüche hoch und bauen daraus ein Weltuntergangs-Szenario.
Baumann: Ich spreche nicht vom Weltuntergang, sondern von Risiken, die man nicht eingehen soll, da es nichts bringt. Ich nehme wieder das Beispiel vom Bt-Mais. Warum sollte man diesen in der Schweiz anpflanzen, wenn es eine hervorragende Alternative zur Bekämpfung des Maiszünslers gibt: den Einsatz von Schlupfwespen, einem natürlichen Feind dieses Schädlings.
Mani: Gerade diese wohlerprobte Schädlingsbekämpfungsmethode wird wahrscheinlich dafür sorgen, dass das Buwal keine Bewilligung für die Freisetzung von Bt-Mais geben wird. Wir haben schon jetzt die gesetzlichen Mittel, jene Gentech-Pflanzen von der Schweiz fernzuhalten, wie uns nichts bringen.
BT: Herr Baumann, warum sollte man die bestehenden Gesetze im Bereich Gentechnik noch verschärfen?
Baumann: Zum einen ist da der Druck der Chemie-Lobby, der zu einer zu liberalen Handhabung der Gesetze führen kann. Ausserdem braucht es mehr Gesetze, was ja der Bundesrat mit seinem Gen-Lex-Programm selbst zugibt. Doch wer sagt uns, dass dieses Programm bei einem Nein zur Initiative nicht auf die lange Bank geschoben wird? Und warum wurde der Gegenvorschlag vom Parlament abgelehnt? Weil auch dieser die Patentierung verbietet und damit von der Chemie-Lobby bekämpft wurde.
Mani: Mit dem Verfassungsartikel von 1992 haben wir bereits eine Grundlage für Gesetze im Bereich Gentechnik. Ein Gegenvorschlag wäre überflüssig und die Initianten hätten zu recht sagen können, ein solcher sei reine Abstimmungstaktik. Ausserdem bringt ein Patentverbot allein in der Schweiz gar nichts.
Baumann: Die kleine Schweiz kann aber ein Zeichen setzen und den Multis einen „Naseschtüber“ versetzen. Novartis und Co. hätten ein Image-Problem, wenn in einem Land, das die entsprechenden demokratischen Voraussetzungen hat, das Volk der Gentechnologie Schranken auferlegt.
Mani: Genau diese Kritik an den „bösen Multis“ verbirgt sich hinter der Initiative. Doch dazu hätte man besser ein anderes Volksbegehren lanciert, das die negativen Folgen der Gentechnologie einschränkt und nicht das meiste verbietet.
Baumann: Warum wird immer eine schlimme Zukunft skizziert für den Fall, dass die Initiative angenommen wird. Bundesrat und Parlament werden nach einem Ja sicher die Gesetze so formulieren, dass kein Forscher auswandern muss.
Mani: Bundesrat und Parlament können aus einem Initiativtext nicht ein x-beliebiges Gesetz machen. Wenn transgene Tiere verboten sind, kann man mit diesen nicht mehr forschen. Andererseits kann man mit der Initiative den Import von Gen-Food nicht verbieten, denn die im Initiativtext formulierte Beweislastumkehr gilt für diesen Bereich nicht.
BT: Doch der Streit um Gen-Food spielt beim Abstimmungskampf eine wichtige Rolle. Warum sollte der Gesetzgeber dies nachher nicht berücksichtigen dürfen?
Mani: Die Initianten haben zwar gemerkt, dass es ein Fehler war, Gen-Food im Initiativtext auszuklammern und betonen diesen Aspekt stark. Doch im Text der Initiative steht nunmal nichts über Gen-Food. Warum sollte der Gesetzgeber den Text strenger auslegen?
Baumann: Nehmen wir das Beispiel der Anti-Matsch-Tomate. Wenn diese importiert wird, können die Samen letztlich im Klärschlamm landen und gelangen von dort aus aufs Feld. Also könnte man in diesem Fall unter Verweis auf das Freisetzungsverbot handeln.
Mani: Wertet man das als Freisetzung, müsste man auch bestimmte Formen von Gentherapie verhindern. Die Initianten sagen aber immer, diese sei nicht betroffen. Man kann den Bergriff der Freisetzung nicht für jeden Anwendungsfall so verstehen, wie es einem passt.
BT: Wir geraten da in ein Minenfeld der Begriffsauslegung. Können Sie zum Schluss in wenigen Worten sagen, worin die Chancen und Risiken eines Freisetzungsverbotes in der Schweiz liegen?
Baumann: Die Schweiz hat den Weg in Richtung einer nachhaltigen Landwirtschaft gewählt. Durch ein Freisetzungverbot erreicht die Schweizer Landwirtschaft einen massiven Imagegewinn. Eine gentechfreie Schweiz kann als Feinkostladen Europas auftreten.
Mani: Ein Freisetzungsverbot verunmöglicht die Biosicherheitsforschung - und zwar gerade jetzt, wo dieser endlich genügend Beachtung geschenkt wird. Zudem kann es in Zukunft durchaus auch Gentech-Sorten geben, die ihren Platz im Bioland Schweiz einnehmen könnten.
Zu den Personen
Bio-Experte: Ruedi Baumann ist ein engagierter Verfechter für eine nachhaltige Landwirtschaft und hat als diplomierter Agronome und Biobauer auch die diesbezüglichen praktischen Erfahrungen. Der Nationalrat, Präsident der Grünen Partei Schweiz und Co-Präsident der Kleinbauern-Vereinigung setzt sich für die Gen-Schutz-Initiative ein. Trotzdem ist er kein fundamentaler Gegner der Gentechnik, sondern er bekämpft vor allem jene Anwendungen der Gentechnologie, die im Widerspruch zu einer nachhaltigen Landwirtschaft stehen.
Sicherheits-Experte: Peter Mani ich Verantwortlich für die Bio-Sicherheit im Institut für Viruskrankheiten und Immunprohpylaxe (IVI) in Mittelhäusern - jenem Ort der Schweiz, wo die gefährlichsten Organismen lagern. Er ist Physiker, Mikrobiologe und ausserdem Inhaber der Stelle Gentechnologie & Gesellschaft an der ETH Zürich. Als (Mit?-)Autor hat er die Botschaft des Bundesrates über die Gen-Schutz-Initiative verfasst. Als IVI-Sicherheitschef ist er für Gefahren von Freisetzungen sensibilisiert, er lehnt die Gen-Schutz-Initiative aber ab.