Patente in der Medizin
Ein Patent gibt dessen Inhaber das Recht, anderen die gewerbsmässige Herstellung eines Stoffes oder die Nutzung eines Verfahrens zu verbieten. Diese Schutzrechte für Erfinder stossen im Bereich der Biologie und der Medizin auf heiss diskutierte ethische Grenzen. „Thema im Fokus“ zeigt, wie die verschiedenen Bereiche der Medizin durch das Patentrecht tangiert werden.
Patente gelten als wichtige Grundlage für die moderne Wirtschaft. Sie sollen die Kreativität und Innovationen von Erfindern und Unternehmerinnen schützen. Sie geben einem Patentinhaber für einen gewissen Zeitraum das Recht, andere von der gewerbsmässigen Nutzung einer Erfindung auszuschliessen bzw. eine Lizenzgebühr verlangen zu dürfen, wenn andere die Erfindung nutzen wollen. Ein Patent ist ein Ausschliessungs- und kein Eigentumsrecht. Ein Patent verpflichtet die Inhaberin auch, das Produkt oder das Verfahren detailliert zu beschreiben und öffentlich zu machen.
Grundidee des Patentrechts ist, dass eine Erfindung - also ein von Menschen geschaffener Gegenstand oder ein von Menschen erdachtes Verfahren – patentiert werden kann. Eine Erfindung, die man patentieren will, muss zudem neu sein und darf nicht aus dem Stand der Technik folgen. Man kann Erfindungen, die bereits publiziert wurden, nicht mehr patentieren.
Ethische Grenzen im Patentrecht
Im Patentrecht gelten auch ethische Grenzen: So dürfen Erfindungen nicht gegen die „guten Sitten“ und gegen die „öffentliche Ordnung“ verstossen. Im neuen, im Juni in die zweite Vernehmlassung geschickten Entwurf des Schweizer Patentgesetzes wird zudem gefordert, dass Patente die „Würde der Kreatur“ nicht verletzen dürfen. Ein Patentinhaber kann die Produktion von als wichtig eingestuften Erfindungen nicht verbieten. Zwangslizenzen ermöglichen es, dass andere Produzenten die patentierte Erfindung produzieren oder nutzen können, dafür aber Gebühren zahlen müssen. Dies kann bei Medikamenten Anwendung finden.
Die moderne Medizin steht hinsichtlich der Patentfrage vor einem Zwiespalt: Einerseits ist die ethische Basis der Medizin eine altruistische – es geht darum, den Kranken und Leidenden zu helfen. Andererseits ist die moderne Medizin „big business“ – der Anteil der Gesundheitskosten am Bruttosozialprodukt beträgt in der Schweiz bereits über 11 Prozent. Es stellt sich also die Frage, ob und wie Innovationen in der Medizin durch das Patentrecht geschützt werden können. Die heutige Situation sieht wie folgt aus:
- Heil- und Behandlungsverfahren sind explizit vom Patentrecht ausgeschlossen.
- Medikamente und medizinische Gerätschaften wie auch gewisse kosmetische Verfahren oder Diagnoseverfahren können patentiert werden.
- Umstritten und wichtiges Thema der jetzt laufenden Vernehmlassung des Patentgesetzes ist die Patentierung von Gensequenzen und deren Konsequenzen für die medizinische Forschung.
Wie ist es dazu gekommen? Ein Blick auf die Geschichte des Patentrechtes hilft, die heutige Debatte und Argumente zu verstehen.
Heilen ist nicht patentierbar
Das europäische Patentrecht schliesst (im Unterschied zum amerikanischen) seit langem Heilverfahren vom Patentrecht aus. Bereits 1904 hat das deutsche Kaiserliche Patentamt festgehalten, dass die Behandlung des Menschen ein Gebiet sei, für welches das Patentrecht nicht geschaffen sei. Die Argumente waren damals aber nicht ethischer Natur. Vielmehr wurde gesagt, der Arzt übe kein Gewerbe aus, eine Behandlung lasse sich nicht beliebig wiederholen und es fehle ihr der technische Charakter. Heute mutet diese Argumentation seltsam an – und bereits damals hielten Patentexperten fest, dass primär ethische Gründe für den Patentausschluss sprechen würden. Die wichtigsten ethische Argumente sind:
- Es widerspricht der Würde des Menschen, wenn die Heilung eines Menschen von der Zustimmung Dritter abhängig gemacht wird.
- Patente im Bereich Heilverfahren widersprechen dem ärztlichen Ethos, wonach das Handeln des Arztes nicht vom Gewinnstreben geleitet werden darf.
- Der Arzt darf durch Patente nicht an der Wahl des Heilverfahrens eingeschränkt werden.
In jüngerer Zeit haben einige Experten zwar festgehalten, dass es nicht einzusehen sei, warum eine Erfinderin gerade in einem für Menschen ungemein wichtigen Gebiet keine Belohnung erhalten soll. Zudem könnten Patente für Heilverfahren den Anreiz erhöhen, neue Therapien zu erforschen und entwickelte Therapien zu veröffentlichen. Solche Argumente haben in Europa bisher keinen Widerhall auf der Ebene der Rechtssprechung erhalten.
Medikamente sind patentierbar
Interessant ist, dass gleiche Argumente die Patentierung für Medikamente und medizinische Geräte stützen. Es besteht also ein deutlicher Kontrast zwischen den direkten ärztlichen Tätigkeiten, welche nicht patentgeschützt sein können, und den Mitteln für das ärztliche Handeln, für welche Schutzrechte gewährt werden.
Akut wird dieses Problem, wenn es um die Kosten von Medikamenten geht. Der Patentschutz ermöglicht es Pharmaunternehmen, für einen Zeitraum von 20 Jahren andere Firmen die Produktion der selbst entwickelten Medikamente zu verbieten, was für hohe Preise sorgt. Hier geraten zwei Prinzipien in Konflikt: Der Schutz der Innovationstätigkeit einer Firma und die Forderung nach kostengünstigen und lebenswichtigen Medikamenten.
Im Zug der Aids-Epidemie in der Dritten Welt hat dieses Problem in den vergangenen Jahren hohe Wellen geschlagen. Die Entwicklungsländer – besonders die Länder des südlichen Afrikas – stehen vor einer beispiellosen Aids-Epidemie, können aber die Medikamente, welche den Ausbruch der Krankheit verhindern bzw. verzögern, nicht bezahlen. Die Pharmaindustrie geriet unter starken politischen Druck, was 2003 zu einer WTO-Vereinbarung über den erleichterten Zugang von Entwicklungsländern zu patentgeschützten Medikamenten geführt hat. Das Problem der Medikamentenversorgung ist damit aber nicht gelöst, denn oft haben die betroffenen Ländern nur ein mangelhaft funktionierendes Gesundheitssystem, so dass die Medikamente trotz Verbilligung nicht an die Betroffenen gelangen können.
Die Medizin wird schliesslich auch im Bereich der Forschung vom Patentrecht tangiert. In der Frühzeit der Genforschung ist es zu einer wahren Flut von Patentanträgen gekommen, welche Gene, Zellen und gar Organismen umfassten. Eine Reihe dieser Patentanträge ist inzwischen abgelehnt worden – teilweise erst nach grossem öffentlichen Druck. Andere wurden zugelassen, führten dann aber zu Gerichtsverfahren. Langsam wächst die Einsicht, dass eine zu freizügige Praxis der Patentierung der Forschung mehr schadet als nützt. Aus diesem Grund will das revidierte Patentgesetz ein umfassendes Forschungsprivileg festschreiben. Forscherinnen und Forscher sollen demnach patentgeschützte Erfindungen für Forschung und Lehre benützen dürfen – notfalls auch gegen den Willen des Patentinhabers. Im Gegenzug will das Gesetz die Patentierung von Gensequenzen erlauben. Diese müssen aber genau beschrieben und mit einer konkreten, gewerblich nutzbaren Anwendung verknüpft sein.