Debatte um Würde der Kreatur
Veranstaltung der Universität Zürich
mc. Aus Anlass zweier gestoppter Primaten-Versuche an der ETH und der Universität Zürich hat die Ethikkommission der Universität am vergangenen Freitag zu einer Debatte zur Frage eingeladen, wie Tierversuche mit der Würde der Kreatur vereinbar seien. Die Rechtsetzung in der Schweiz habe durchaus progressiv gehandelt, als 1992 die Würde der Kreatur in der Bundesverfassung festgeschrieben worden sei, sagte Stephan Häsler, der stellvertretende Direktor des Bundesamtes für Veterinärwesen. Man habe einen bisher kaum mit Inhalt gefüllten Begriff zu einem Rechtsgrundsatz erklärt. Innerhalb der Ethik ist es umstritten, ob die Würde der Kreatur überhaupt ein für die Gesetzgebung sinnvolles Konzept sein kann. Der Ethiker und Theologe Johannes Fischer verneinte dies an der Tagung. Der Würdebegriff sei für den Menschen reserviert, argumentierte er. Peter Schaber hingegen – er ist ebenfalls Professor am Zürcher Ethikzentrum – versteht die Würde der Kreatur als Pflicht, bei der Beurteilung eines Tierversuches auch den Eigenwert von Tieren zu berücksichtigen.
Das noch nicht in Kraft gesetzte neue Tierschutzgesetz sieht vor, dass bei der Güterabwägung zwischen den Belastungen des Tieres einerseits und dem erwarteten Nutzen des Experiments andererseits Aspekte wie Erniedrigung und Instrumentalisierung von Tieren Beachtung finden müssen. Die Zürcher Tierversuchskommission hat sich bei ihrer Begründung des Versuchsstopps auch auf solche Argumente gestützt.
Der Tierschutzbeauftragte der ETH und der Universität Zürich, Hans Sigg, sieht darin einen in seiner Tragweite noch nicht abschätzbaren Paradigmawechsel in der Beurteilung von Tierversuchen. Bisher kamen in der Güterabwägung vorab Kriterien wie Schmerz und Leid zum Tragen. Diese stützten sich auf verhaltensbiologisches Wissen und Beobachtungen am Tier. Entwürdigung und Instrumentalisierung hingegen seien Kriterien, die auf Aussagen von Menschen über das Tier basierten – und damit schwieriger zu objektivieren seien. Die Umsetzung der Würde der Kreatur als Massstab in der konkreten Beurteilung von Tierversuchen benötigt demnach einen klaren Blick auf die detaillierte Praxis solcher Versuche. Die Ausführungen der beiden vom Versuchsstopp direkt betroffenen Neurowissenschafter Daniel Kiper und Kevan Martin enthielten den Vorwurf, dass die von der Tierversuchskommission vorgenommenen Gewichtungen mit fehlendem Wissen und falschen Interpretationen der Forschungspraxis zusammenhingen.
Die Zürcher Tierversuchskommission hatte im vergangenen November zwei Versuche mit Affen am Institut für Neuroinformatik der beiden Hochschulen Universität und ETH gestoppt. Das Forschungsziel der Experimente habe die geplanten Versuche mit Makaken nicht rechtfertigen können, begründete die Tierversuchskommission ihren Entscheid. Die Zürcher Gesundheitsdirektion folgte dieser Argumentation. Die beiden Hochschulen fechten den Entscheid an.