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10. bis 11 November 2011: International Neuroethics Society meeting, Washington DC

Kurze Notizen zum Panel: Social knowledge and the evolution of cooperation in monkeys and apes. Dorothy Cheney beginnt mit einer historischen Einführung, die die Nutzung von Pavianen als Schafhirte zeigen. Diese waren sehr besorgt/aufgeregt, wenn Lämmer von ihren Eltern entfernt wurden (ein Hinweis, dass diese einen gewissen „social concern“ zeigten). Bericht über Feldstudien in Bothswana und zu Studien die zeigen, dass Tiere (Affen und andere) auch über den sozialen Status anderer Tiere informiert sein wollen (Beobachtungsstudien). Eine andere Datenquelle: Serotonin und Hormone im Kot und Urin. Eine ihrer Fragen: was sind die Grenzen der Kooperation von Tieren (Primaten)? Sie sieht kognitive und emotionale constraints – während erstere geringer sein dürften, als man dachte. So findet man beispielsweise bei Schimpansen Stunden (Tage) vor bestimmten Verhaltensweisen (z.B. border patrol: Verlassen des Territoriums durch eine Gruppe männlicher Schimpansen um andere Gruppen anzugreifen) einen Anstieg im Spiegel typischer Hormone – ein Hinweis, dass man sich gewissermassen „vorbereitet“. Emotionale constraints könnten genau so wichtig sein, z.B. solche, welche ein „equal sharing“ von Futter verhindern. Patricia Churchland sprach danach über die Unschärfen der Kategorisierung von moralischen Verhaltensweisen bei Tier und Mensch.

Kurze Notizen zum Panel “Neuroscience, National Security and Society” (am Folgetag). Jonathan Moreno geht auf Folgearbeiten zu seinem Buch “mind wars” ein. Hinweis auf einen Wolf-Hinkle-Report von 1953 mit sehr futuristischen Prognosen. Ausgaben der militärischen Forschung im Bereich cognitive neuroscience 2011 sind: Army: 55 Mio, Navy 34 Mio. Air Force: 24 Mio, Darpa: 240 Mio. Kurze Vorstellung einiger Projekte: Nutzung von enhancern wie Modafinil, Oxytocin, etc. (die üblichen Themen). Erst am Schluss eine sehr skizzenhafte ethische Bewertung dieser Dinge (nicht sehr umfassend – man muss wohl die neue Ausgabe von Mind Wars kaufen). James Giordano stellt eine neu erschienene Studie vor (Umfrage unter diversen Geheimdiensten etc. bezüglich Nutzung von Neurotechnologien). Er hält das alles für eine unvermeidliche Entwicklung und sieht den Fokus der Ethik bei den Leuten, die das tun (sie sollen das möglichst verantwortlich tun). William Casebeer dann zu seiner Neuroscience of Ethics – es wird nicht wirklich klar, warum er die angesprochenen Probleme (Terrorismus etc.) über den Umweg des Gehirns angehen will.

Es folgt Michael Chorost mit einem recht utopischen Vortrag über die künftige Entwicklung des Verhältnisses Mensch und Technologie (er selbst ist CI-Implant-Träger). Macht Hinweise auf einige „vergessene Philosophen“ (Ken Wilber: Sex, Ecology, Spirituality, 2000; H. Ravven). Letztlich reichlich abgehoben – unklar, wie man das Eintreffen seiner Szenarien prüfen will (wird auch in der Diskussion vermerkt).

Kurze Notizen zum Panel „Neuroethics and Novel Treatments in Neuropsychiatry“. Husseini Manji verweist auf ein interessantes Dilemma im Bezug auf psychiatrische/neurodegenerative Krankheiten: Was machen wir, wenn wir immer mehr wissen über die Predictors von solchen Krankheiten? Ab wann soll man Medikamente geben, die z.T. wirken können, aber auch Nebenwirkungen haben (z.B. bei Jugendlichen)? Wie soll Früherkennung funktionieren (Zwang zur Früherkennung)? Helen Mayberg spricht zum Stand der Forschung von DBS in Depression: langsam wechselt das Verhältnis von Forscher-Patient zu Arzt-Patient. DBS löst gewissermassen nur die Bremse und ermöglicht erst eine Therapie (die dann aber auch stattfinden muss). Jorge Moll liefert einen (unstrukturierten) Überblick zu seinen Forschungen. Er nutzt fMRI und pattern recognition Algorithmen, um mit 80% Wahrscheinlichkeit Psychopathen an der Hirnaktivität zu identifizieren.

Kurze Notizen zum Panel “Real Cases in Law and Neuroscience: Reports from the Trenches”. Steve Greenberg berichtet von einem zum Tode verurteilen Mörder, bei dem er in einem Revisionsverfahren fMRI als Beweismittel (darlegen, dass der Verurteilte geisteskrank war bzw. an einem Geburtsgebrechen (Hirnschaden) litt) zugelassen wurde. Er kam bei der Jury damit durch. Houston Gordon berichtet über die Versuche, fMRI als Lügendetektor bei Gericht zuzulassen (er scheint daran zu glauben, dass dies funktioniert). Wenn das dereinst funktionieren sollte, würde das de fakto bedeuten, dass wesentliche Arbeiten eines Gerichts (Wahrheitsfindung) wegfallen würden. Russell Swerdlow berichtet von seinem publizierten Fall einer Person, die aufgrund eines Hirntumors pädophil wurde (und dieses Problem verschwand, nachdem der Tumor entfernt wurde).
 


23/24. Juni 2011: Konferenz “What Makes Us Moral”, Amsterdam

Erster Keynote Speaker ist Adam Seligman. (Schlecht untermauerte) These: Rituale sind wichtig um moralisch zu sein. Richtige Beobachtung: Moral ist primär eine Sache des Handelns unter ambiguen Bedingungen mit dem Risiko der Fehlbarkeit. Sieht man Moral (Ethik) als etwas abstraktes an, so verliert an diesen Bezug. Das Wissen um diese Ambiguität ist eine Voraussetzung für Moral. Rituale sollen dann eine Bsis sein, um mit Ambiguität leben zu können, sie vermitteln Struktur. Unklare Definition eines Rituals. Richtige Beobachtung: Rituale kreieren als-ob-Erfahrungen, es geht um die formalisierten Handlungen, nicht um die Inhalte. Doch Bezug zur Moral bleibt letztlich unklar. Rituale können auch die Unmoral fördern, das Normative bleibt aussen vor.

Zweiter Keynote speaker ist Darcia Narvaez. Thema: was braucht es, um ein moralisch reifer Mensch zu werden? Ihr Ausgangspunkt sind die basic needs von Menschen (und anderen) sowie ein evolutionsbiologisch informierter Blick auf die Bedingungen, unter denen Menschen leben. Demnach werde oft eine falsch Story erzählt: Jäger/Sammler lebten eben nicht unter ständiger Angst, ständigem Krieg. Vielmehr war dies eine vergleichsweise friedliche Gesellschaft, in der insbesondere die Aufwachsbedingungen (basic needs) von Kindern, die zu Prosozialität führen, besser erfüllt werden als heute. Hinweis auf die Verschränkung von Rationalität und Emotionen. Danach Vorstellen der Triune Ethics mit dem bekannten Problem dieses Ansatzes: obwohl sie es eigentlich nicht muss, transportiert sie eine Hierarchie der ethischen Systeme, die nicht begründet wird. Zudem erscheint die Geschichte zu deterministisch (mit Blick auf die Ontogenese von Moral).

Ein interessanter Vortrag von Thomas Schramme mit einem (heute von vielen gemachten) Ansatz: schaue auf Amoralität, um Moral zu verstehen. Prototyp ist der Psychopath. These: man kann Moral nicht als Skill auffassen, die man Verlernen oder Vergessen kann. Eine moralische Person ist eine Person, die die Fähigkeit (capacities) hat, moralisch zu sein, nicht eine, die diese Fähigkeiten immer ausübt oder nach moralischen Motiven handelt. Hineis auf das Ryle-Paper von 1958 (about forgetting the difference between right and wrong – Ryle outet sich hier offenbar als Internalist). Ein Moralist ist wie ein Conaisseur, who cares about morality.

Weiterer interessanter Vortrag zur Frage: Why care about morality in a virtual world. Im Zentrum stehen virtuelle Welten wie Second Life oder Sims Online. „Unmoralische Tätigkeiten“ betreffen Töten von Avataren, virtuelle Vergewaltigung, virtuelle Sklaverei (offenbar das häufigste Phänomen). Interessantes Beispiel ist Alphaville Herald, eine Zeitung in Sims Online (von einem Philosophen), die offenbar über solche „Unmoralität“ berichtet hat und die Firma hat dann den Avatar (Herausgeber) der Zeitiung „getötet“ (da Verletzung von Firmenineressen). Hinweis auf die (natürlich) unterschiedlichen Kausalitäten in der virtuellen Welt. Man sollte aber auch einmal auf die „moralischen“ Verhaltensweisen in diesen virtuellen Welten schauen.

Dritter Keynote Speaker ist Carel van Schaik. Er will dreierlei zeigen: Erstens: menschliche moralische Emotionen sind Anpassungen (adaptations) aufgrund der spezifischen Lebensumständer der Jäger-Sammler-Gesellschaften (seit ca 2 Mio Jahren). Wichtige Voraussetzungen bei der Erklärung von Verhalten ist die Unterscheidung zwischen ultimate causes (Kunktion von Verhalten im Evolutionszusammenhang sowie die Geschichte der evolutionären Genese dieses Verhaltens) und proximate causes (Ontogenese des Verhaltens und Mechanismen seiner Realisation). Interessante Verhaltensweisen sind hier: food sharing, support for sick & injured, corporate breeding, collective decisions & actions. Nur menschliche Gruppen zeigen all diese Verhaltensweisen. Wichtig ist auch, dass diese Verhaltensweisen auf unterschiedlichen Zeitskalen operieren: food sharing 90% aller jagden sind erfolglos) auf der Ebene von Tagen, Pflege kranker/verletzter (vorab Männr: unfälle bei der Jagd) auf der Ebene von Wochen/Monaten, corporate breeding (Familie mit vielen Kindern, die sich nicht selbst ernähren können) auf der Ebene von Jahren bis Jahrzehnten. In einem solchen Umfeld wird Reputation zu einem zentralen Faktor. Zu den direkten Mechanismen: auch hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen Jäger/Sammlern und anderen Primaten: audience effekte, aktive Prosozialität, Angst vor Bestrafung. Third Party Punishment wird vorab dann gemacht, wenn Opfer aus derselben Gruppe stammt wie der Punisher.

Zweites Thema von van Schaik: wie kommt man von den moralischen Emotionen (eine Sache der Individuen) zu sozialen Normen (eine Sache der Gruppe)? Normen sind offenbar Eine Folge von Interessenkonflikten (ist das eigentlich unvollständig? Gibt es nicht auch Normen für das Gute Leben evt. schon bei Jägern/Sammlern?). Idee: soziale Normen differieren bezüglich des Grads der Kollektivität (Mehrheitsnormen, universelle Normen – warum gibt es letztere?). Interessant ist, dass es bei unterschiedlichen Jäger/Sammler-Gesellschaften kaum Varianz bezüglich der sozialen Normen gibt (Hill 2009). Erst bei erreichen der Sesshaftigkeit ergibt sich die grosse Varianz, die wir heute kennen (erst dann spielen offenbar soziale Unterschiede eine Rolle). So kann es eben sein, dass die moralischen Emotionen zwar universell sind, nicht aber die sozialen Normen. Und moralisches Verhalten wird stärker von den sozialen Normen statt den moralischen Emotionen beeinflusst (auch rationalität kann eine Rolle spielen). Was man modellieren sollte: inwieweit feste moralische Normen einen constraint für soziale Normen bilden.

 


1. bis 17 Juni 2011: NEH Workshop in Charlotte: Computer Simulations in the Humanities

Hier nur einige kurze Bemerkungen zu einige Präsentationen. Am ersten Tag sprachen Ted Carmichael über Complex Adaptive Systems (CAS), Patrick Grim über Agent Based Models (ABM) und Tony Beavers über Connectionism and Associative Network Models. Gemäss Ted kann man die „invisible hand“ (Smith) als einen Vorläufer der Idee eines CAS ansehen. Die Definition eines CAS ist (immer noch) unscharf: viele gleichartige Agents interagieren mit Feedback, zeigen dabei Selbstorganisation und Emergenz sowie ein nichtlineares Verhalten. Grim bietet eine Einführung in ABM, verweist darauf, dass es auch hier keine klare Definition gibt und dass eigentlich nur eine Bedingung notwendig ist: es hat agents. Diese brauchen nicht unbedingt ein Innenleben. Darstellen eines ABM an einem berühmten Beispiel: Verbreitung von Vorurteilen, d.h. Überprüfung der Hypothese, dass Vorurteile durch soziale Kontakte vermindert werden. Frage ist: was ist der Mechanismus? Aufbau des ABM ist klassisch: lokal interagierende Agents. Interaktion durch Spielen des Gefangenendilemma. Anpassen der Strategie nach lokalem Vergleich, wessen Strategie am meisten Punkte eingebracht hat. Wie man ein ABM komplexer machen kann: mehr Variablena Andere Gewichte an Variablen, andere Update-Methode. Hier muss man Sensitivity-Tests machen. Tony stellt dann connectionist models vor, präsentiert sie vorab als Instrumente zur Mustererkennung.

Tag 2: Mirsad Hadzikadic sprach zu “Basic Concepts and Principles” – sehr allgemein über CAS, keine neuen Einsichten. Katy Börners Vortrag am Abend war dann spannender. Sie spricht von 554 wissenschaftlichen Disziplinen (Liste habe ich später erhalten: social science und humanites nur ganz grob enthalten). Prüfe sci2.cns.iu.edu. Prüfe auch vivo-web, eine Art Facebook für Wissenschaftler. Hadzikadic stellt am Tag 3 dann das grosse Afghanistan-Modell (Darpa-finanziert) vor: 30‘000 Agenst – in Oak Ridge läuft das Modell mit 30 Mio. agents. Das Modell simuliert den Einfluss unterschiedlicher Policies auf die aliban-Bekämpfung: deutlicher Hinweis, dass Simulationsmethoden an Bedeutung gewinnen für strategische Entscheidungen.

Am 7.6. dann mehr zu ABM: ist weder eine „new kind of science“ noch eine fact-free science (wenn man es richtig macht). Modelle lassen sich entlang des Kontinuums abstrakt-konkret anordnen – d.h. von rein spieltheoretischen Modellen bis zu physikalischem Nachbau (z.B. Mississippi-Flusssystem, gebaut ab 1942 von deutschen Kriegsgefangenen). Buchtipp: „Wittgenstein flies a lite“. Gründe für Modelle sind:

  • Voraussage: Man kontrolliert Input und Mechanismus und will den Output.
  • Nachhersage (post-diction: ein Phänomen unter gewissen Annahmen reproduzieren): Man kontrolliert Mechanismus und Output und will den Input.
  • Explanation: Erklären eines Phänomens. Man kontrolliert den Input und den Output und will den Mechanismus
  • Emergente Explanation: Neues Phänomen generieren und erklären. Man kontrolliert den Output und will Input und Mechanismus.
  • Evt. auch noch: Exploration: Schauen, wie sich ein Modell verhält und daraus Ideen für empirische Tests etc. gewinnen. Man kontrolliert den Mechanismus und will Input und Output.

Ein wichtiger Gedanke: auch Simulationen können scheitern. Am 9.6. dann Netzwerke. Man beachte: auch eine simple Annahme wie eine Moore-Nachbarschaft ist eine Annahme, denn die Nachbarschaftsfelder haben unterschiedliche Konnektivität: Ecken haben 3 Nachbarn, Mittelfelder haben 5 Nachbarn. Netzwerk-Arten:

- Ring / Doppelring
- Stars / Hubs (hat einen Knoten in der Mitte)
- Small World
- Random
- Fully connected network

Denke daran, dass man mehrere Netzwerke in einem Modell integrieren kann, z.B. Ineraktions-Netzerk (z.B. Gefnangenen-Dilemma) und Informationsfluss (wer weiss was über Payoffs). Interessantes Beispiel: man kennt die Degree-Distribution und generiert die Familie aller Netzwerke, die die Degree-Distruibution hat. Wenn man einen Mechanismus hat, der in allen Netzwerken dasselbe Resultat generiert, so hat man ein starkes Argument dafür, dass der Mechanismus in der Tat einen realen Prozess abbildet.

Thema vom 14.06. : Verifikation und Validierung von Modellen (Hadzikadic). Es gibt keinen Konsens in der ABM Community, wie man das macht:

  • Verifikation ist klarer definiert: Hier geht es um die Spezifizierung und Implementierung. Ist das Modell korrekt programmiert? Gibt es bugs für bestimmte Parameterwerte? Ist der Algorithmus korrekt implementiert? Verifikation löst nicht die Frage, ob das Modell ein wichtiges Problem betrifft.

  • Validierung ist unklarer definiert. Goldstandard ist: Reproduziert das Modell die Daten? Macht es korrekte Voraussagen? Beides ist aber je nach Art des Modells z.T. gar nicht prüfbar, d.h. es sind keine Experimente möglich, es gibt keine Entsprechung des Modells in der real world, es hat random events im Modell. Grundidee der Validierung ist: man zeigt, dass das Modell brauchbar ist – es geht dabei auch um eine gute Visualisierung.

Dan zeigt dann, wie man Behavior Space in Netlogo braucht, um Sensitivität des Modells für unterschiedliche Parametersettings prüft. Er zeigt dann auch, wie man die Randomisierung fixiert und damit wiederholbar macht: global [ran-seed]. Setup [set ran-seed new-seed / random-seet ran-seet ]. Im Observer kann man dann die Zahl sehen und diese setzen: set ran-seed ZAHL. Man sollte dann aber nur einen Prozessor-Kern zum rechnen brauchen.

15.06.: Aaron zu den fortgeschrittenen mathematischen Methoden, um Modell-Output zu untersuchen. Erstens: nichtparametrisch arbeiten: Normalverteilung ist bereits eine Annahme (dass die Ereignisse unabhängig sind: ist weit weniger oft der Fall als man meint). Brauche stattdessen Kolmogorov-Smirnov two smaple test. Oder Siegel Tuckey test of difference of variance. Hochinteressant: wie man die Dynamik des Systems durch ein Markow-Modell abbildet (wichtig ist dazu das Coarse Graining des Zustandsraums) und dann das Markoww-Netzwerk untersucht mit Blick auf Basin of attraction etc.

Am letzten Tag Hinweise auf Funding: www.diggingintodata.org, www.neh.org. Hier gibt es gute Finanzierungsmöglichkeiten (17% chance) für kleinere und mittlere Projekte (25‘000 / 50‘000).
 


10. Mai 2011: Game Design Kurs an der ZHK

Grundproblem: wie erzeugt man mittels Spielmechanismen die Motivation, ein Spiel auch zu spielen? Narration spielt gemäss Götz hier eine eher geringe Rolle. Ein interessantes Beispiel: die Firma Bigpoint (700 Mitarbeiter, 180 Millionen Spieler): produziert Gratisspiele und kann damit die Leute derart fesseln, damit sie dann auf die zu bezahlenden Spiele umsteigen.

Worauf man achten muss: Was sehe ich (als Beobachter)? Wie wird es mir gezeigt? Welche Rolle habe ich?
 


07. April 2011: IBME Kolloquium

Susanne Brauer stellt ein Projekt vor, das sie in Göttingen umsetzen will: Pflichten der Elternschaft, Ausweitung des klassischen Elternbildes und daran geknüpfte moralische Standards. Ihr Fokus: (relationale) Autonomie. Hinweis darauf, dass Autonomie in der Medizin auf Entscheidungen fokussiert – das dürfte bei Elternschaft der falsche Fokus sein.
 


24. Februar 2011: IBME Kolloquium

Nur kurz (Notizen erfolgten Wochen nach der Veranstaltung): Thema waren die FHM-Standesregeln (Hanspeter Kuhn). Eine kurze Geschichte, wie sich nichtstaatliche Organisationsformen Regeln gegeben haben: Zünfte, nach Gründung des Bundesstaates: eine enge politische Verknüpfung zwischen Medizin und (staatstragender) FDP. Wichtige Gesetze: Medizinberufsgesetz (1877), Hygienegesetz (1886), Nahrungsmittelgesetz (1905 – Gesetzesnamen dürften so nicht stimmen). Erster Standeskodex: Kanton Zürich 1892, danach zahlreiche weitere. Erst 1993 ergab sich eine Notwendigkeit, die Standesregeln umfassend zu ändern: Umgang mit HMO-Ärzten (zuvor war das Selbstverständnis des Arztes jenes eines selbständigen Unternehmers). 1995 erfolgte der Wunsch der Gesundheitsdirektorenkonferenz, dass der FMH einen Code of Conduct schaffen sollte, was im gleichen Jahr geschehen ist. Inhalt war nahe am geltenden Gesetz unter Einbezug der SAMW Richtlinien. Einige Ergänzungen sind: Zufriedene Patienten darf man nicht zu Werbezwecken brauchen (warum eigentlich nicht?), man soll kollegiale Beziehungen pflegen. Gewisse Dinge wie z.B. Doping standen nicht im Code und man konnte deshalb auch keine Mitglieder, die Doping betrieben haben, ausschliessen. Hinweis auf ein Grundproblem von Normen von privaten Organisationen: können zunehmend Gesetzeskraft erreichen, obwohl nicht demokratisch legitimiert. Beispiel: SIA-Normen: haben enormen Einfluss auf die Lebenswelt, doch darüber wird nie abgestimmt. Ist in der Tat problematisch. Simone Grumbach ging dann noch auf einige andere Aspekte ein
 


20. bis 21. Januar 2011: DBS in Psychiatry, Bonn

Zweitägiger Expertenworkshop in Bonn, organisiert von der Europäischen Akademie. Einführung von Thomas Schläpfer am Beispiel DBS für Depression. Nach allgemeinen Infos zu Depression Übergang zum eigentlichen Thema: die derzeitigen Trials werden mit Patienten durchgeführt, die im Schnitt 11 Jahre an Depression leiden und bei denen alle anderen Therapien versagen. Die bisherigen Trials haben eine Responder-Rate (Verbesserung der Depressions-Scores um mindestens 50%) von 50-60%, Rückfälle kommen offenbar kaum vor.

Danach die erste Session zum Thema DBS oder Lesions, eingeführt von Bart Nuttin. Hinweis darauf, dass Lesions eine kaum mehr angewendete Technik ist – nur noch wenige Zentren weltweit machen das überhaupt noch – obwohl Läsionen für manche Patienten evt. besser sind als DBS (nicht nur billiger, und deshalb vorab noch in ärmeren Ländern zur Anwendung kommen). Dann der erste Vortrag von Björn Meyerson. Generelle Hinweis: die Reversibilität von DBS hat den Preis der dauernden Kontrolle des Patienten (Nachuntersuchungen, Batteriewechsel etc.). Prüfe Referenz Science 1976 194: 229. Hinweis darauf, dass die heutigen Läsionen kaum etwas mit der Psychochirurgie der 1930er bis 1970er zu tun haben, angewendet werden heute vorab capsulotomy und cingulotomy. Vorstellen neuerer Studien (Oliver et al 2003, Liu et al 2008, Reich et al 2003 Am J Psych) die zeigen, dass Lesion gar nicht so schlecht gegenüber DBS abschneidet. Loes Gabriels spricht dann über die Erfahrungen von Leuven (DBS und Lesion bei OCD). Darstellen des strengen Selektionsverfahrens: 71% der Patienten, die einen solchen Eingriff (DBS oder lesion) wünschen, wurden zugelassen, 55% haben dann tatsächlich operiert. Hinweis auf Klassifizierung von Outcome-Studien: self-rating, rating durch experten, befragen Dritter (Angehörige, Pflegende). Ein interessanter Punkt: DBS wird auch deshalb bevorzugt, weil es wissenschaftlicher ist (man kann Parameter ändern, dadurch etwas über die Krankheit herausfinden). Kritische Beurteilung einiger an sich positiver Aspekte von DBS:

- Flexibilität: Finden der geeigneten Parameter kann lange dauern. Das kann falsche Hoffnungen am Leben erhalten. Compliance ist ein must.
- Schnelle Effekte: können für die Angehörigen zu schnell sein.
- Im Fall von OCD werden hohe Stromdichten gebraucht: d.h. alle 7-8 Monate eine neue Batterie (einer hatte schon 28x wechseln müssen).

Es folgt die nächste Session zum Thema Autonomy, Responsibility and DBS mit einer Einführung von Reinhard Merkel. Er macht einige Ausführungen zum reichen begriffsfeld von Autonomie. Unter anderem: „Autonomie“ im Recht steht im Bezug zu Selbstgesetzgebung (z.B. von Staaten), Autorisierung, ist ein binärer Begriff (man ist autonom oder ist nicht autonom). „Autonomie“ in der Moral ist eine Vorbedingung für Verantwortung, hat unterschiedliche Ausprägungen (Autonomie als Fähigkeit, als Wert, als Zuschreibung), ist je nach Ausprägung graduell zu verstehen. Mit Blick auf DBS-Anwendungen ist der rechtliche Autonomiebegriff prioritär, d.h. Autonomie ist nur dann nicht gegeben, wenn äusserer Zwang vorhanden ist, die betreffende Person aufgrund klarer psychischer Schäden nicht autonomiefähig ist oder wenn relevante Informationen fehlen (bei Entscheidungsproblemen). Es folgt dann Stephen Morse (dessen Vortrag erinnert an die Tagung in Rotterdam 2009) mit der Kernaussage, dass DBS in der Psychiatrie rechtlich keine neuen Fragen stellt (was sicher stimmt). Andres Lozano spricht dann in seinem Vortrag von der Renaissance der funktionellen Neurochirurgie, die derzeit einen Präzisionsgrad von 25'000 Neuronen erreicht hat (die Grössenordnung, die derzeit manipuliert werden kann). Der Vortrag beinhaltet u.a. einen historischen Überblick (mitsamt Freeman-Video zur Lobotomie) und aktuelle Studien zu DBS bei Alzheimer (Idee: in der Frühphase gibt es noch grosse an sich funktionell intakte Hirnregionen, die aber nicht mehr Input erhalten, durch DBS würden diese wieder reaktiviert. Das funktioniert aber nicht mehr, wenn die Degeneration fortgeschritten ist). In der nachfolgenden Diskussion einige Statements: Die Probanden sind weniger verzweifelt, als man gemeinhin annimmt. Die Tatsache, dass man sich bei einem experimentellen Versuch einer rigorosen Kontrolle unterwirft (Tests, Fragebogen ausfüllen etc.) und die Probanden das auch machen, ist quasi ein Tatbeweis dafür, dass Autonomie gegeben ist. Ein interessanter Punkt zum Informed Consent Prozess bei Depression: die Probanden schätzen ihr Leben gar nicht als lebenswert ein - das verändert eine wichtige Grundlage dieses Prozesses. Ich vermute, dass Informed Consent bei Forschungsprojekten sowieso nicht ein derart wichtiges Problem ist, wie man immer meint (es ist zentraler bei der normalen klinischen Praxis!).

Der zweite Tag beginnt mit einer Session zum Thema Outcome, eingeführt von Helen Mayberg. Hinweis auf die zahlreichen Facetten einer Outcome-Beurteilung: Endpoints, quantitative Verhaltensmasse, qualitative symptom reports, funktionale outcome scales, adverse events, magnitude of response. Hinweis auf eine mögliche Dissonanz: im Fall von DBS bei PD erwartet niemand, dass alle komplexen Symptome dadurch verbessert werden - warum wird dieser Anspruch an DBS bei psychiatrischen Krankheiten gestellt? Ein wichtiger Punkt bei Outcome-beurteilungen ist auch, dass sich die Erwartungshaltung des Patienten im Verlauf des Prozesses ändert. Im Fall von Depression ist die Erwartungshaltung vor dem Versucht typischer weise: bringt sowieso nichts, alles andere hat ja bisher auch nichts genützt. Nachher ist der Fokus dann auf dem Hauptsymtpom. Noch später dann auf Nebenaspekte (wie z.B.: wie finde ich einen neuen Job?). Mit anderen Worten: outcome ist ein moving target. Christiane Woopen spricht dann über die Herausforderungen der Risk-Benefit-Abschätzung. Ihren Erfahrungen gemäss gibt es oft einen Gap zwischen onjektivem Outcome (der meist gut ist) und subjektiver Zufriedenheit (die oft dem positiven Outcome nicht entspricht). Cynthia Kubu spricht über Studien mit PD-Patienten zur Frage, was die Leute in ihrem Leben dank DBS wieder tun wollen (das wird in den gängigen Outcome-Measures nur teilweise abgedeckt): in der Regel sind es Alltagsdinge wie Auto fahren, sich anziehen können, Haushalt führen können etc. Offenbar haben die Leute tendenziell mehr positive Erwartungen, die sich dann nur teilweise erfüllen.

Es folgt eine Session zum Thema Communication of results to the media and to the public, eingeführt von Thomas Schläpfer. Eric Racine spricht zum Verhältnis Neurowissenschaft und Ethik und den verschiedenen Anspruchshaltungen (die sind natürlich nicht deckungsgleich). Ich denke, dass die Breitenmedien sowieso nicht der zentrale Kanal für Informationszwecke ist, sondern vielmehr andere Kanäle, mit denen man direkter an Allgemeinpraktiker, Patientenorganisationen etc. kommt. Die allgemeinen Medien wollen nicht primär informieren, sondern unterhalten. Wayne Goodman spricht spezifischer zur Kommunikation von OCD-DBS Resultaten (suche: Okum et al Neurocase 2004, 10: 271-279). Hinweis darauf, dass DBS wohl nocht eine sehr grobe Methode ist und dass man in 10-20 Jahren wohl mit ganz anderen Methoden modulierend ins Gehirn eingreifen wird (lokale Wirkstoff-Applikation, genbasierte Methoden).

Volker Sturm führt ein in die Session Scientific Opportunities & Public Responsibilities. Gemäss ihm ist im Bereich Psychiatrie DBS mehr oder weniger etabliert für OCD, Tourette und Selbstverletzungs-Störungen, experimentell in Arbeit für Depression, Drogenmissbrauch und Alzheimer sowie konzeptionell möglich für Schizophrenie und Autismus. Er sieht auch eine Möglichkeit, dass DBS dereinst für Enhancement-Zwecke eingesetzt werden könnte. Wichtige wissenschaftliche Entwicklungen betreffen zudem auch neue Stimulationsalgorithmen (Tass in Jülich) und -methoden (z.B. optisch, was aber Gentransfer braucht, damit die Nervenzellen optisch erregbar sind). Es folgt der Vortrag von Joseph Fins (prüfe dazu auch seine zahlreichen Publikationen). Er meint, die Sowjets haben Psychochirurgie in den 1950er Jahren verboten (bin aber unsicher, ob das Verbot wirklich durchgesetzt wurde). Hinweise auf zahlreiche ethische Aspekte von DBS: Verbindung zur Psychochirurgie, Fragen die sich aus dem wirtschaftlichen Quasi-Monopol von Medtronic ergeben, etc. Judy Illes hat dann eine generelle Zusammenfassung der Veranstaltung gemacht. Ein Hinweis aus der Diskussion: DBS kann auch du Erkenntnissen über psychische Krankheiten führen, die dann auch zu nicht-DBS-basierten Therapien führen.

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