Lungenkrebs – berechtigte Hoffnungen
Die Diagnose Lungenkrebs kam vielen Betroffenen lange Zeit einem Todesurteil gleich. An einem Symposium in Zürich machten Ärzte aber klar, das dem nicht so ist. Der Grund für höhere Heilungschancen liegt einerseits bei markanten Verbesserungen der generellen medizinischen und technischen Möglichkeiten, andererseits beim verstärkt wahrgenommenen interdisziplinären Ansatz zur Bekämpfung dieser Krebsart.
„Sie haben Lungenkrebs!“ Einem 53-jährigen Mann wurde diese Diagnose im Februar 1995 gestellt. Mit diesen Worten im Ohr hatte er sich vielleicht auf seinen Tod vorbereitet. Doch er gehört zu jenen Fällen, welche fünf Jahre später am vergangenen Donnerstag an einem Symposium am Universitätsspital Zürich unter dem Titel „Lungenkrebs – Resignation ist fehl am Platz“ vorgestellt wurde. Mit anderen Worten: er überlebte die auch heute immer noch tödlichste Form von Krebs. „Es geht uns darum zu zeigen, dass Lungenkrebs dank den heute eingesetzten Methoden kein Todesurteil mehr bedeuten muss“, stellt der Onkologe Rolf Stahel vom Universitätsspital klar.
Dabei war es nicht einmal 20 Jahre her, als in ärztlichen Kreisen gar befürchtet wurde, dass nicht einmal die Früherkennung dieser Krebsart Wesentliches an der Gesamtmortalität ändern könne, wie der Pneumologe Erich Russi erläuterte. Auch heute ist man weit davon entfernt, den Lungenkrebs definitiv als „besiegt“ abtun zu können. Er ist der häufigste tödlich verlaufende Tumor des Mannes und der zweithäufigste der Frau. Letztere holen auf: Statistiken zeigen, dass seit 1987 in den USA der Lungenkrebs bei der Frau den Brustkrebs als Todesursache überholt hat.
Der Grund für diese Entwicklung und auch für die Tatsache, dass Lungenkrebs den Krebsmedizinern bis auf weiteres „erhalten“ bleibt, ist altbekannt: Lungenkrebs ist eine Raucherkrankheit und damit auch weitgehend vermeidbar. Das Risiko, an dieser Krebsart zu erkranken, ist proportional zum Total aller in einem Leben inhalierten Zigaretten. Eine britische Studie ergab etwa, dass von 3070 Lungenkrebspatienten nur 2 Prozent nie geraucht haben. Angesichts der steigenden Beliebtheit des Glimmstengels bei der Jugend (Zahlen des Bundesamtes von Statistik von 1997 nennen einen Raucheranteil von 43 Prozent bei allen 15 bis 24-Jährigen) befürchten die Ärzte einen weiteren Anstieg der Lungenkrebsfälle.
Die Behandlung dieser Krebsart hat in den vergangenen zehn Jahren immerhin grosse Fortschritte gemacht. Diese beruhen weniger auf einem tiefgreifenderem Verständnis dieser Krebsart. Vielmehr haben verbesserte medizinische Techniken sowie eine verstärkte interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen medizinischen Fachgruppen die Hoffnung auf Heilung verstärkt. Dadurch stehen heute ausgefeilte Therapievarianten zur Verfügung, deren Einsatz durch Verbesserungen bei der Erfassung des Tumorstadiums – des sogenannten Staging – effizienter gestaltet werden konnte. Einblicke in die genetischen Grundlagen der Erkrankung haben aber bisher nicht die geweckten Erwartungen erfüllt, wie der Chirurg Walter Weder erklärte.
Die grössten Fortschritte werden vielmehr in der Chirurgie verzeichnet. Diese ist im Frühstadium sowieso die Therapie der Wahl. Durch den Einsatz von Medikamenten vor der Operation, der sogenannten Induktionschemotherapie, können aber auch bei späteren Stadien gute Erfolge erzielt werden. „Spezialisierte Teams erreichen heute Leistungen, die noch vor wenigen Jahren nicht erwartet werden konnten. Die Verbesserung der Qualität in der Chirurgie ist ein eigentlicher Quantensprung“, erklärt dazu Weder. Zunehmend wichtig wird dabei auch die minimal-invasive Chirurgie – die Schlüsselloch-Chirurgie. Indem die Instrumente nur durch kleine Öffnungen in den Körper gelangen, wird das Risiko von Komplikationen nach der Operation verringert.
Fortschritte zeigen sich auch bei der Chemotherapie. Das Problem der starken Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen sei praktisch unter Kontrolle, erklärte der Onkologe Rolf Stahel. Von grosser Bedeutung sei zudem die Kombination der Chemotherapie mit Chirurgie und Bestrahlung. Bei der Strahlentherapie schliesslich zeigt sich der Einfluss des technischen Fortschritts besonders markant: Dank der computerassistierten Planung und Durchführung von Bestrahlungen erfolgt diese mit hoher Präzision am Ort des Tumors, wobei das umliegende Gewebe nur schwach belastet wird. „Die Strahlentherapie hat damit heute einen festen Platz im Behandlungskonzept des Lungenkrebses. Noch zu Beginn der 80er war nicht klar, ob diese Form überhaupt Zukunft hat“, erklärte der Radio-Onkologe Stephan Bodis.
Somit war es eine Botschaft der Hoffnung, welche am Symposium in Zürich verbreitet wurde. Doch die Referenten machten deutlich, dass man trotz aller Fortschritte bei der Therapie von Lungenkrebs die einfachste Form der Prävention nicht vergessen dürfe – mit dem Rauchen aufzuhören.