Ethik der Drohnen
Technologie ist wertneutral – es kommt nur darauf an, wofür sie eingesetzt wird. Dieses Argument ist schnell zur Hand, wenn es um die ethische Beurteilung neuer Technologien geht – und es ist sicher nicht falsch. Allerdings verkennt dieses Argument, dass bestimmte Technologien ihre Nutzer und damit auch die Gesellschaft auf vielfältige Weise prägen. Sie verändern den Zugriff auf die Welt, was unsere Werte beeinflussen kann. Diese abstrakte Idee kann man anhand der Drohnen illustrieren.
Drohnen haben die Bühne der ethischen Debatte durch ihre militärische und geheimdienstliche Nutzung im „Krieg gegen den Terror“ nach den Anschlägen vom 11. September 2001 betreten. Noch heute dominiert in der Fachliteratur dieser Aspekt. Einige Themen haben allerdings nur indirekt mit Drohnen zu tun – etwa die Legitimität des „targeted killings“. Andere Stimmen betonen, dass die militärische Nutzung von Drohnen das Verfolgen moralisch fragwürdiger Zwecke vereinfacht; man „töte wie im Videospiel“. Man weiss heute aber, dass diese simple Analogie nicht zutrifft – beispielsweise, weil die Technik bei ihrem Bediener eine seltsame Mischung von Nähe und Distanz verursacht. Auch sind die Möglichkeiten zur Vermeidung direkter Kollateralschäden ver-gleichsweise besser – gleichzeitig kommt es zu unerwarteten negativen Effekten, wie das Beispiel Pakistan gezeigt hat: die Effizienz der Drohnenschläge vertrieb Terroristen aus den Bergen in urbane Regionen, wo deren Aktivitäten deutlich mehr Opfer forderten.
Die ethische Debatte der zivilen Nutzung von Drohnen ist erst in jüngster Zeit aus diesem militärischen Schatten getreten. Die meiste Aufmerksamkeit geniesst die Gefährdung der Privatsphäre durch Kameradrohnen. Auch hier dürfte das Argument, Drohnen wirken lediglich als Werkzeug, zu kurz greifen. So verwirklicht die Drohnentechnologie eine bisher unbekannte Erfahrung – eine vom eigenen Körper gelöste Wahrnehmung der Welt; im Extremfall fliegt der Pilot die Drohne mit Videobrille und sieht die Welt aus ihren Augen. Auch generieren Drohnen faszinierend neue Bilder auf unsere alltägliche Umgebung. Drohnen werden so zu Instrumenten, die neue Wahrnehmungen erlauben – und neue Wahrnehmungen prägen Werthaltungen, wie beispielsweise das erste Foto der Erde aus dem All deren Zerbrechlichkeit vor Augen geführt hat.
Auch in dieser Studie werden primär kommende Anwendungsfelder von Drohnen – etwa im Bereich Polizei, Grenzschutz, Agrikultur, Infrastruktur, Logistik, Kommunikation, Journalismus oder Freizeit – einer ethischen Beurteilung unterworfen. Wir sollten aber nicht vergessen, dass Drohnen das Potenzial zu mehr haben: sie bilden den materiellen, auf die Welt zugreifenden Arm der Digitalisierung, je mehr sie mit komplexer Sensorik und Steuerungstechnik ausgerüstet werden und damit an Autonomie gewinnen. Sie haben das Potenzial, die «ikonische Maschine» der Digitalisierung zu werden, wie dies einst die Dampfmaschine gewesen ist.