Nachhaltigkeit beginnt auf der Stufe Planung
Derzeit laufen auf internationaler Ebene Bemühungen, die Forderung nach Nachhaltigkeit in Bau- und Infrastrukturprojekten zu konkretisieren. Die Fidic, die internationale Vereinigung beratender Ingenieure, will in diesem Prozess eine führende Rolle einnehmen, wie an der diesjährigen Jahreskonferenz in Honolulu, Hawaii, deutlich wurde. Konkrete Vorschläge sollen 2001 in der Schweiz vorgestellt werden.
Grosse Baukomplexe und Infrastrukturprojekte wie Kraftwerke, Telekommunikationssysteme und Verkehrsanlagen stellen zweifellos einen erheblichen Eingriff in die natürliche Umwelt dar. Aus diesem Grund stehen sie im Zentrum der wohlbekannten Nachhaltigkeitsdebatte, welche durch den Brundtland-Bericht „Our Common Future“ 1987 ihre Initialzündung und durch den Rio-Gipfel 1992 ihren ersten globalen Höhepunkt erreicht hat. Bezogen auf solche Projekte stellt sich die allgemeine Forderung, ökologische, ökonomische und soziale Faktoren gleichermassen zu berücksichtigen und derart in die Balance zu bringen, dass auch künftige Gerationen ihre Bedürfnisse decken können.
Die konkrete Umsetzung des doch eher abstrakten Konzeptes stellt dabei besondere Anforderungen an den Planer, der bereits auf der Stufe der Konzeption von Bau- und Infrastrukturprojekten entsprechend einwirken kann, dabei aber auch die Wünsche seiner Kunden berücksichtigen muss. Die beratenden Ingenieure und Planer sind demnach gefordert, ihren Beitrag zur Konkretisierung des Begriffs Nachhaltigkeit und der Umsetzung der daraus sich ergebenden Kriterien zu leisten.
Die Internationale Vereinigung Beratender Ingenieure (Fidic), der weltweite Dachverband von 68 nationalen Verbänden mit Sitz in Lausanne, hat dem Thema Nachhaltigkeit deshalb gleich zwei Jahreskonferenzen gewidmet: An der diesjährigen Konferenz, welche Mitte September in Honolulu im US-Bundesstaat Hawaii stattgefunden hat, wurden die Leitplanken des Fidic-Engagements vorgestellt. An der nächsten Konferenz in Montreux, deren Gastgeberin die Schweizerische Vereinigung Beratender Ingenieure (usic) ist, sollen konkrete Kriterien (Business Guidelines) für die nationalen Verbände und deren Mitglieder präsentiert werden.
Ein wichtiger Grund für das Engagement der Fidic sei dabei der sich rasch entwickelnde Markt für Unternehmen mit Fachkompetenz in Nachhaltigkeit. Dies hielt der Schweizer Vorsitzende der Fidic Task Force für Nachhaltigkeit, Rolf Sägesser, bei der Präsentation des entsprechenden Strategiepapiers in Honolulu fest. Auf dem internationalen Kapitalmarkt formierten sich Akteure – beispielsweise die britischen Pensionskassen –, welche vermehrt Nachhaltigkeitskriterien entwickeln und anwenden. Für eine Organisation wie die Fidic sei es zentral, bei der Ausformulierung dieser Kriterien in den entsprechenden Gremien der Vereinten Nationen, der Weltbank und weiteren supranationalen Organisationen mitzuwirken.
Das Fidic-Strategiepapier nennt eine Reihe von zu beachtenden Prinzipien: Kostenbetrachtungen sollen generell aus der Perspektive des Lebenszyklus einer Einrichtung ausgehen, externe Kosten sind zu Internalisieren, bei der Verwendung von Baumaterialien ist auf Rezyklierfähigkeit zu achten und die öffentliche Meinung ist bei der Planung von Grossprojekten (Staudämmen!) zu berücksichtigen.
Ansatzpunkt der Fidic ist dabei die Unterstützung des Wandlungsprozesses auf der Ebene der Kapitalmärkte. Insbesondere im Bereich Infrastruktur will die Fidic eine führende Rolle bei der Ausarbeitung konkreter Richtlinien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit solcher Projekte einnehmen. Gegenüber den eigenen Mitglieds-Verbänden geschieht dies in Form von Business Guidelines, die derzeit ausgearbeitet und an der kommenden Jahreskonferenz vorgestellt werden. Die Fidic kann von den nationalen Verbände beziehungsweise deren Mitgliedsfirmen die Umsetzung der Richtlinien nicht verlangen. Sie will damit vielmehr interne Widerstände abbauen, da nach Ansicht der Fidic Task Force der Wandel der Markbedingungen auf der Ebene der Finanzierung von Grossprojekten von den Planern der Aufbau von Kompetenz im Bereich Nachhaltigkeit verlangt.
An der Fidic-Konferenz in Honolulu wurde schliesslich aber auch deutlich, wie unterschiedlich die drei Hauptaspekte der Nachhaltigkeit – Ökologie, Ökonomie und Soziales – von den Vertretern der verschiedenen Staaten gewichtet werden. José Sanjuán Medem, Präsident der World Federation of Engineering Organizations, hielt in seinem Referat fest, dass ohne konsequente Bekämpfung der Armut die Diskussion um Nachhaltigkeit obsolet wird. Der chinesische Vertreter Qu Geping, Vorsitzender des Umweltkomitees des Nationalen Volkskongresses, strich das rigide Vorgehen der chinesischen Behörden gegen Umweltsünder hervor: In den vergangenen fünf Jahren sollen 100'000 Firmen aus diesem Grund geschlossen worden sein, allein 1999 waren es über 31'000 Firmen. Ob dies nachhaltig im Sinn von sozialverträglich gewesen war?