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Klimawandel: Der Einfluss der Sonne. Nur einen Schuldigen gibt es nicht

Schwankungen der Sonneneinstrahlung haben einen wichtigen Einfluss auf das Erdklima. Doch kann man damit den heutigen Klimawandel erklären? In Bern diskutierten kürzlich Forscher aus aller Welt über den Einfluss der Sonne auf das Klima.

Am 11. August werden es alle Mitteleuropäer zu spüren bekommen, was die Sonne für unser Klima bedeutet: Dann schiebt sich der Mond vor die Energiequelle unseres Planeten, es wird dunkel und kalt. Für eine kurze Zeit wird allen klar, dass ohne Sonne nichts auf dieser Erde laufen würde, es gäbe kein Leben, kein Klima – und kein Klimawandel.

Natürlich ist es eine Binsenwahrheit, dass der Antriebsmotor des gigantischen Apparates namens Klima ausserhalb unseres Planeten zu suchen ist. Der thermonukleare Schmelzofen Sonne pumpt die Energie in die Erdatmosphäre und treibt Wind, Wetter und Meeresströme. Bekannt ist auch, dass sich die Sonne mal wild, mal ruhig verhält und entsprechend mehr oder weniger Energie abstrahlt. Der Schluss lag demnach nahe, der Sonne eine Mitschuld am derzeitigen Klimawandel zu geben.

So richtig lanciert wurde diese Diskussion in Wissenschaftskreisen wie in der Öffentlichkeit Mitte der 90-er Jahre mit dem Buch „The Manic Sun“ (deutsch: „Die launische Sonne widerlegt Klimatheorien“, 1997). Der englische Wissenschaftler Nigel Calder vertrat darin die These, die Klimaforschung habe den Einfluss der Sonnenaktivität bisher sträflich vernachlässigt – die Theorie, dass des menschlich verursachten Treibhauseffekts den Klimawandel verursachen würde, sei nicht mehr haltbar. Skeptiker nahmen diese Thesen mit Freuden auf und malten das Schreckensbild einer internationalen Wissenschaftlergemeinschaft, die sich mit immer neuen Klima-Horrormeldungen ein grosses Stück vom Kuchen der Forschungsgelder sichern wollte. Prompt wurde im Gegenzug der Vowurf laut, diese „skeptischen Forscher“ bezögen ihre Gelder von der Öl- und Gasindustrie.

Unabhängig von diesem Streit, der in der Öffentlichkeit bereits wieder verebbt ist, diskutieren Klimaforscher und Sonnenexperten seit Jahren die Frage, was denn die Sonne nun wirklich zum Klimawandel beiträgt. Ende Juni trafen sich aus diesem Anlass gegen 50 Wissenschaftler aus aller Welt in Bern zum Workshop „Solar Variability and Climate“, organisiert vom dort ansässigen International Space Science Institute. Dabei wurde deutlich, was man heute weiss und was nicht:

Man weiss, dass die Strahlungsaktivität der Sonne periodischen Schwanklungen unterliegt. Die bekannteste Schwankung ist der Sonnenflecken-Zyklus, der sich durch Änderung der Anzahl Sonnenflecken manifestiert. Sonnenflecken sind kältere und damit dunklere Zonen auf der Sonnenoberfläche. Alle elf Jahre zeigt unser Zentralgestirn besonders viele Sonnenflecken, Protuperanzen (wegspritzende solare Materie) und Strahlungsausbrüche, die einhergehen mit einer Umpolung des solaren Magnetfeldes. Im zweiten Halbjahr 1999 beginnt ein solches Maximum (man spricht vom 23. Zyklus seit Beginn der Zählung im Jahr 1749), das voraussichtlich bis Mitte 2000 dauert. Solche Maxima hinterlassen auch auf der Erde ihre Spuren, etwa in Form gestörter Kommunikationswege. Für Klimatologen interessant sind aber die Strahlungsschwankungen, die mit diesem Zyklus einhergehen: Diese betragen rund ein Promille, die aber immerhin als direkte Folge auf der Erde eine Temperaturschwankung von etwa 0,5 Grad auslösen.

Es gibt aber auch Hinweise auf längerfristige Schwankungen. Bekannt ist das sogenannte „Maunder-Minimum“ im 17. Jahrhundert. Damals zählten die Astronomen in einem Zeitraum von dreissig Jahren nur sehr wenige Sonnenflecken. In derselben Periode wurde auf der Erde eine Kälteperiode beobachtet, die sogenannte „kleine Eiszeit“. Andere Forscher – M. Lockwood, R. Stamper und M.N. Wild vom Rutherford Appleton Laboratorium in Chilon, England – haben kürzlich darauf hingewiesen (Nature 399, S. 437-439), dass sich das Magnetfeld der Sonne in den letzten hundert Jahren verdopopelt hat – ein weiterer Hinweis darauf, dass die Sonne aktiver geworden ist.

Trotz dieser Erkenntnisse sind die Forscher in Bern nicht der Ansicht, man könne nun die ganze Schuld für den Klimawandel der Sonne geben. Zum einen erhalten die Forscher Einblick in immer komplexere Prozesse (vgl. dazu Kasten „Die Sonne und die Wolken“), zum anderen ist der markante Anstieg der Treibhausgase ebenso ein unbestrittenes Faktum. Und dieser Anstieg wiederum ist eine Folge menschlicher Aktivitäten. Man muss schliesslich auch sehen, dass Massenverkehr, Brandrohdungen und gigantische, furzende Kuhherden (Treibhausgas Methan!) nicht nur deshalb problematisch sind, weil sie den Treibhauseffekt anheizen. Diese Probleme sind mit viel direkter wirkenden Umweltproblemen verbunden. Smogverseuchte Grossstädter würden es wohl kaum akzeptieren, würde man den Verkehr nun doch nicht einzuschränken, weil nicht nur der Treibhauseffekt allein den Klimawandel verursacht.

Die Forscher selbst hingegen nehmen mit wachsendem Wissen über das Klimasystem Erde immer mehr von monokausalen Erklärungen Abstand. Nötig macht dies beispielsweise die Forschungsarbeit der Paläoklimatologen M. Pagani, A.M. Arthur und K.H. Freeman (in der Zeitschrift „Paleooceanography“ 14/99, S. 273-292). Diese haben interessanterweise festgestellt, das im Klima-Optimum des Myozäns (vor ca. 14,5 bis 17 Millionen Jahren), als die globale Durchschnittetemperatur sechs Grad höher lag als heute, der Anteil des Treibhausgases Kohlendioxid in der Atmosphäre erstaunlich gering war. Auch dieses Resultat ist kein Blankoschek für die Ölindustrie. Es zeigt aber, dass die Klimaforscher viele verschiedene Aspekt – Meeresströmungen, andere Treibhausgase u.s.w. – in ihren Modellen berücksichtigen müssen, wollen sie verstehen, was mit den Klima auf der Erde wirklich geschieht.


Die Sonne und die Wolken

Man kann sich den Einfluss der Sonne nicht einfach so vorstellen, als ob diese wie ein gigantischer Radiator die Erde einfach heizen würde. Indirekte Einflüsse der solaren Schwankung haben einen Einfluss auf das Erdklima, der sich derzeit noch kaum quantitativ abschätzen lässt.

So sind erstens die Strahlungs-Schwankungen im UV-Bereich zehnmal grösser als im Bereich des sichtbaren Lichts. Die für das Leben auf der Erde gefährliche UV-Strahlung wird von der Ozonschicht absorbiert, solange uns das Ozonloch keinen Strich durch die Rechnung macht. Eine stärkere UV-Strahlung führt zu einer erhöhten Ozon-Produktion und einer stärkeren Absorption. Dies ändert die Temperaturverhältnisse und damit auch die Wind-Dynamik in den oberen Schichten der Atmosphäre, was wiederum die Windverhältnisse in den bodennahen Schichten ändert. Was das für das Klima bedeutet, weiss man bisher kaum.

Noch bedeutender ist aber ein weiterer Effekt, der kürzlich von dänischen Klimaforscher Henrik Svensmark entdeckt wurde: Es besteht ein Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität, kosmischer Strahlung und Wolkenbildung. Ist die Sonne besonders aktiv, verstärkt sie ihr Magnetfeld. Dadurch gelangt weniger kosmische Strahlung aus den Tiefen des Alls auf die Erde. Diese kosmische Strahlung sorgt dafür, dass sich in den oberen Schichten der Atmosphäre geladene Teilchen (Ionen) bilden. Die Ionen wiederum sind Keime für kleinste Schwebeteilchen, sogenannte Aerosole. Und diese schliesslich sind Keime für Wassertröpfchen, aus welchen die Wolken bestehen. Zusammenfassen lässt sich das komplizierte Szenario wie folgt: Grössere Sonnenaktivität = weniger kosmische Strahlung = weniger Wolken = höhere Temperaturen.

Die Wolken übrigens waren und sind immer noch eine grosse Unbekannte in den Modellen der Klimaforscher. Lange stritt man sich darum, ob Wolken nun netto eine Erwärmung oder eine Abkühlung des Planeten zur Folge haben: Erwärmung deshalb, weil Wolken auf der Nachtseite wie eine Isolationsschicht wirken und verhindern, dass die Wärme der Erdoberfläche in den Weltraum entweichen kann. Abkühlung deshalb, weil Wolken auf der Tagseite der Erde das Sonnenlicht reflektieren und verhindern, dass sich die Erdoberfläche erwärmt. Jetzt ist sich die Gemeinschaft der Klimaforscher offenbar einig, dass Wolken insgesamt die Erde abkühlen. Wie genau die Wolkenbildung in die Klima-Modelle eingebaut werden muss, ist weiterhin offen.

Noch grössere Schwierigkeiten bieten die sogenannten Aerosole, feinste Staubteilchen, die unter anderem durch Vulkanausbrüche und Waldbrände in die Erdatmosphäre gelangen. Auch diese können einerseits das Sonnenlicht reflektieren (und damit die Erde abkühlen), andererseits aber die Sonnenstrahlung absorbieren (und damit die Erde erwärmen). Dies hängt von der Natur der verschiedenen Aerosole ab. Und wenn man jetzt noch berücksichtigt, dass diese Aerosole für die Wolkenbildung wichtig sind, wird einem langsam klar, welch gewaltiges Rätsel die Klimaforscher lösen wollen...

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