Gen-Schutz-Initiative: Gut gemeint, doch absurd
Fragen Sie die Leute auf der Strasse zur Gen-Schutz-Initiative und Sie sehen: Selten lässt ein Volksbegehren den Stimmbürger in einem derartigen Zwiespalt zwischen Bauch und Kopf. Der Kopf versucht mühsam, ein kompliziertes Thema zu erfassen, der Bauch kämpft mit Ängsten und Hoffnungen. Wie soll man da entscheiden? Die Taktiker der Pro- und Kontra-Seite haben dieses Problem längst erkannt und setzen dort an, wo sie Erfolg erhoffen: Sie geben zwar vor, den vernünftigen, abgewägten Entscheid fördern zu wollen. Doch ihre Bilder von haarlosen Krebskranken und Mäusen mit Menschenohren treffen voll in den Bauch.
Daher sollte man zuerst das Verhältnis zwischen Bauch und Kopf klären, bevor man sich ins Trommelfeuer der Argumente und Bilder begibt.
Eins wird schnell klar: Entscheiden heisst, möglichst viele Aspekte einzubeziehen und gegeneinander abzuwägen - ohne Kopf schafft man das nicht. Der Bauch liefert dabei nicht nur die Gefühle, die auch zur Entscheidung gehören. Er macht auch blind gegen jene Fakten, die einem nicht passen. Das hat man in den vergangenen Wochen zu genüge erlebt. Tief im Bauch sind die Weltbilder verankert, die da aufeinanderprallen: Zum einen Angst und Misstrauen gegenüber einem entfesselten Schöpfungswillen des Menschen - mit Blick auf das bereits zerstörte. Zum anderen der Glaube an eine Zukunft mit Technik gepaart mit dem gefühl, keine andere Wahl zu haben - mit Blick auf das bereits erreichte. Wahrlich eine Konstellation, die einen Entscheid erschwert, will man nicht fundamentalistisch in einem dieser Weltbilder verhaftet bleiben.
Daher sollte sich der Kopf zuerst mit dem Zielen der Initiative befassen, bevor er sich von den Weltbildern des bauches zu stark beeinflussen lässt.
Die Gen-Schutz-Initiative will gemäss Text „Missbräuche und Gefahren“ der Gentechnologie bekämpfen. Das will eigentlich jeder. Doch darunter verbigt sich ein immenser Katalog an Wünschen. Sie wollen: eine neue Medizin, ein Bioland Schweiz, kein Genfood, Gerechtigkeit für die Dritte Welt (Patentverbot), eine „starke Ethik“. Man muss zugeben, das ist ein bisschen viel aufs Mal. Jedenfalls ist dieser grosse Katalog an wünschen mit der grund, warum der entscheid so schwierig ist.
Daher sollte man zuerst untersuchen, ob die Initiative ihre Ziele überhaupt erreichen kann, bevor man zu einem Entscheid gelangt.
Das Tragische an der Gen-Schutz-Initiative ist ihre Absurdität. Dieser Begriff ist angebracht für ein Volksbegehren, dass seine Ziele nicht erreicht und widersprüchlich ist. Man muss dabei gar nicht die vielen Einzelziele untersuchen - obschon sich auch dort bei allen Punkten teils gewichtige Einwände finden lassen. Der Punkt ist, dass man Missbräuche und Gefahren einer Technik gar nicht mehr bekämpfen kann, wenn man die für die Zukunft wesentlichsten Anwendungen der Technik per se verbietet. So verbietet man beispielsweise Freisetzungen und damit auch alle Versuche, überhaupt erkennen zu können, wo deren Gefahren liegen könnten. Eine derartige Haltung erreicht nur eins: sie vertreibt jene, die es zu kontrollieren gilt.
Dazu kommen eine Reihe von Widersprüchen. Dazu ein Beispiel: Die Initianten bekämpfen (richtigerweise!) die Ansicht, dass das Wesen des Lebens in den Genen fundiert ist, dass man nur noch auf die Gene schaut. Doch geht es um Tiere, werden die Gene plötzlich so zentral, dass jeder Eingriff mit der Würde der Kreatur derart unvereinbar ist, dass er verboten werden muss. Dazu kommt, dass diese Haltung eine Güterabwägung per se verbietet. Mit einer solchen hat man bisher bei Tierversuchen Experimente zugelassen oder verboten. Das bisher zentrale Prinzip, das Leiden des Tieres gegen den Nutzen des Versuchs abzuschätzen wird im Bereich Gentechnik plötzlich aufgegeben.
Dazu kommen schliesslich gravierende Umsetzungsprobleme. Dazu ein Beispiel: Die Initianten akzeptieren Gentech-Medikamente und bekämpfen Genfood. Um den ersten Punkt umzusetzen, wird die Beweislastumkehr und das Freisetzungsverbot liberal interpretiert. das zweite Ziel braucht eine strenge umsetzung. Begriffe des Rechts je nach Anwendung umzubiegen - eine Paradebeispiel eines Gummiparagraphen. Die Probleme mit den internationalen Abkommen wollen wir ausser aucht lassen.
Man muss zum Schluss kommen, dass die Gen-Schutz-Initiative rein aus dem Bauch entstanden ist. Man darf zwar keinesfalls vergessen, dass es dieses Volksbegehren war, dass für den Kick in die richtige Richtung gesorgt hat. Ohne die Initiative hätte es keine Diskussuin über Gentechnik gegeben, hätte es kein Gen-Lex-Programm gegeben. Sie hat den Weg vorbereitet, doch sie kann nicht das Ziel sein.