Ausbau der MS-Forschung
Zürich erhält ein neues Zentrum für die Erforschung der Multiplen Sklerose (MS). Dieses soll auch zur Schaffung individueller Therapien beitragen. Eingerichtet wird unter anderem eine MS-Sprechstunde.
„Multiple Sklerose ist eine grausame Krankheit“, erklärte Martin Schwab, Leiter des Zentrums für Neurowissenschaften in Zürich (ZNZ), anlässlich der Präsentation des neuen Zürcher MS-Forschungszentrums. Sie erfasst Menschen im besten Alter und ändert deren Leben tiefgreifend. Je nach Krankheitstyp kommt es zu einer schubweisen oder schleichenden Degeneration des zentralen Nervensystems. Lähmungen, Sinnestrübungen und weitere Beeinträchtigungen sind die Folge. In der Regel leiden Betroffene 35 bis 45 Jahre ihres Lebens an MS. Eines der gravierendsten Probleme ist dabei, dass die Medizin derzeit nur schlecht voraussagen kann, wie sich die Krankheit im Einzelfall entwickelt, wie Klaus Kesselring von der Klinik Valens erläutert. Die Betroffenen bleiben oft im Ungewissen über den weiteren Verlauf ihrer Erkrankung.
Gesamtschweizerisch sind derzeit gegen 10'000 Menschen von MS betroffen. Bezüglich der Häufigkeit der Krankheit steht damit die Schweiz zusammen mit Schweden weltweit an der Spitze. Aus diesem Grund erhält die MS-Forschung im Rahmen des nationalen Forschungsschwerpunktes „Neurale Plastizität und Reparatur“ einen Schwerpunkt mit zwei neuen Assistenzprofessuren. Gemäss der Zielsetzung des Forschungsschwerpunktes, eine enge Kooperation zwischen Forschung und Klinik zu ermöglichen, leitet Burkhard Becher die Grundlagenforschung, während Norbert Goebels die klinische Forschung voran bringen soll.
Die beiden jungen Wissenschaftler und ihre Forschungsgruppen werden im Rahmen eines sechs Jahre umfassenden Kooperationsvertrages mit jährlich einer Million Franken vom Pharmaunternehmen Serono gesponsert. Räumlichkeiten und Infrastruktur werden vom Forschungsschwerpunkt, der Universität Zürich und der Uniklinik Zürich finanziert. Weiter stellt Serono dem ZNZ pro Jahr 400'000 Franken zur Verfügung, was insbesondere der Lehre und dem wissenschaftlichen Nachwuchs zu gute kommen soll. Martin Schwab lobte denn auch die Zusammenarbeit mit Serono als vorbildlich, da die wissenschaftliche Freiheit der beiden Forschergruppen gewährleistet sei. Selbst allfällige Patentrechte liegen bei der Universität Zürich. Serono hat jedoch ein Vorrecht bezüglich der Lizenznahme. Das Unternehmen hat im Bereich der Entwicklung von Medikamenten gegen MS eines seiner Schwerpunkte und will mit seinem Engagement die eigenen Anstrengungen in diesem Bereich ergänzen, erklärte der Firmenvertreter George Feger.
Becher erläuterte in Zürich die Ziele des neuen Instituts: So soll insbesondere die Kommunikation zwischen Immunzellen und Gehirn erkundet werden. Multiple Sklerose entsteht als Folge einer so genannten Autoimmunreaktion: Die Zellen des Immunsystems erkennen irrtümlicherweise die Isolation von Nervenfasern (Myelin) als feindlich und zerstören sie. Damit wird die Leitung der Nervenimpulse im Gehirn gestört. Die Ursache der Autoimmunreaktion ist im Detail unbekannt, die Reaktion selbst wird durch eine Reihe von Signalmolekülen gesteuert. Ziel ist es, die Mechanismen dieser Kommunikation zwischen den Zellen derart zu entschlüsseln, dass die fatale Reaktion blockiert werden kann. Zudem wollen die Forscher Wege entwickeln, um bereits geschädigte Nervenfasern und deren Isolation wieder zu reparieren.
Bezüglich der klinischen Forschung will man unter anderem genauere Diagnoseinstrumente entwickeln. Damit sollen die verschiedenen Typen von MS im Einzelfall besser voneinander unterschieden werden, erklärte Goebels. Je früher die dem jeweiligen Typ angepasste Therapie erfolgt, desto besser können weitgehende Schädigungen des Nervensystems vermieden werden. Aus diesem Grund ist auch an der Neurologischen Klinik des Universitätsspitals eine MS-Sprechstunde eingerichtet worden. Patienten werden hier einer eingehenden Untersuchung unterworfen, um eine individuell passende Therapie entwickeln zu können. Therapie wie Rehabilitation geschehen in enger Zusammenarbeit mit der Schweizerischen MS-Gesellschaft und der Klinik Valens. Die Patienten aus der ganzen Schweiz werden in der Regel via lokale Spezialisten an die Fachstelle in Zürich verwiesen.