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Megatrends – eine Herausforderung für die Wissenschaftspolitik

Der wissenschaftliche Fortschritt manifestiert sich in Hauptströmungen, welche Forscher, Finanzierer und nicht zuletzt die Medien in ihren Bann ziehen. Die Herausbildung dieser Megatrends und ihr Einfluss auf die Wissenschaftspolitik waren Thema eines zweitägigen Symposiums des CASS, des Rates der schweizerischen wissenschaftlichen Akademien in Bern. Gestern standen dabei vor allem die Frage im Zentrum, wie die Wissenschaftspolitik auf die durch solche Megatrends bestimmte Dynamik des Fortschritts reagieren sollte.

Es war wohl kein Zufall, dass Michael Roco vom National Science and Technology Council der USA den Vortragsreigen über den Einfluss der wissenschaftlichen Megatrends auf die Wissenschaftspolitik eröffnete. Die USA, gesegnet mit Haushaltsüberschüssen in Milliardenhöhe, investieren derzeit grosse Beträge in die sich herausbildenden künftigen Megatrends wie Nanotechnologie. 270 Millionen Dollar waren es in diesem Jahr, 423 Millionen werden es allein für diesen Bereich im kommenden Jahr sein. „Den Amerikanern wurde der enge Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Erfolg und technologischer Innovation in den 90er klar vor Augen geführt“, erklärte Roco dazu. Der politische Wille, wissenschaftliche Megatrends zu finanzieren, ist in den USA offenbar vorhanden.

In der Schweiz ist dies um einiges schwieriger, wie Nationalrat Johannes Randenegger in seinen Ausführungen darlegte „Wir haben weder eine wissenschaftspolitische Vision noch eine entsprechende Strategie, sondern schrauben lediglich an den institutionellen Strukturen herum“, so seine Kritik. Diese Kritik zielt offenbar auch gegen die derzeit diskutierte Idee, mittels Netzwerkbildung die Hochschullandschaft umzubauen. Randegger machte dazu eine kleine E-Mail-Umfrage bei 30 angehenden Wissenschaftlern. Das Resultat ist deutlich: Eine überwiegende Mehrheit hält Netzwerkbildung für den falschen Weg, mit diesem Weg der institutionellen Anpassung den neuen Herausforderungen der Wissenschaft zu begegnen. Mehrere Votanten aus dem Publikum äusserten die Vermutung, dass eine Umfrage bei den „Top Shots“ des Wissenschaftsbetriebs ein ähnliches Bild zeigen würde.

Indirekt angegriffen werden mit solche Äusserungen die forschungspolitischen Visionen von Staatssekretär Charles Kleiber. Dieser machte in seinen Ausführungen deutlich, dass eine Anpassung der Hochschullandschaft Schweiz in mehrfacher Hinsicht notwendig ist. Er erkennt derzeit eine ganze Reihe von Paradigmenwechsel hinsichtlich der Bedeutung und der gesellschaftlichen Beurteilung von Wissenschaft. Diese wird gewissermassen von einem geschützen Raum mit gesicherter Finanzierung in eine rauhere Welt entlassen, wo Konkurrenzkampf um Gelder und Fachkräfte virulent werden. „Die Verteilung staatlicher Mittel für die Forschung wird sich ebenfalls verstärkt an der Produktivität und Effizient der einzelnen Institute messen“, so Kleiber. Die Universitäten sollen im Gegenzug aber auch grössere Freiheit erhalten. Kleiber: „Kooperation entsteht durch Konkurrenz, denn die Universitäten werden ihre Ressourcen gezielter einsetzen und dabei die Zusammenarbeit suchen müssen.“

Gottfried Schatz, Präsident des Schweizerischen Wissenschafts- und Technologierates und damit die zweite grosse anwesende Figur der Schweizer Wissenschaftspolitik, ging in seinen Ausführungen auf die Bedeutung der modernen Biologie für den künftigen wissenschaftlichen Fortschritt ein. Seine Ausführungen zielten aber an den eigentlichen wissenschaftspolitischen Fragen vorbei. Ihm ging es vielmehr darum, die Bedeutung naturwissenschaftlicher Erkenntnisse für die Sozial- und Geisteswissenschaften darzulegen. Dies verleitete den Wissenschaftsphilosophen Paul Hoyningen-Huene von der Universität Hannover zur Aussage, die Sichtweise von Schatz könnte bei den Geisteswissenschaftler als „unfriendly takeover“ gelten. Ein Dialog zwischen den verschiedenen Wissenschaften sei durchaus wünschenswert, müsse aber auch als solcher geführt werden.


15 Nationale Forschungsschwerpunkte – wenn das Parlament mitmacht

Anlässlich des CASS-Symposiums in Bern klärte sich auch das Bild um die derzeit immer noch offene Frage, wie viele Nationale Forschungsschwerpunkte (NFS) im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen können. „15 der 18 in der Endrunde stehenden Projekte sind vom wissenschaftspolitischen Standpunkt aus gesehen finanzierungswürdig“, erklärte Staatssekretär Charles Kleiber. Doch mit den vorhandenen Mitteln können maximal zehn finanziert werden. Deshalb hatte die bereits im Sommer bekannt gewordene Absicht, möglichst viele der 18 Endrundenprojekte zu finanzieren, für Unmut gesorgt. Denn jene Projekte, welche die Endrunde nicht erreicht haben, hoffen auf die zweite Ausschreibung in voraussichtlich zwei Jahren. Eine solche kann aber nicht stattfinden, wenn mehr als 10 NFS finanziert werden.

Die Lücke zwischen dem Wünschbaren und dem Möglichen soll nun das Parlament stopfen. Quasi im Schnellverfahren sollen zusätzliche 60 Millionen Franken bewilligt werden, um 15 NFS realisieren zu können. Nationalrat Johannes Randegger betonte am CASS-Symposium in Bern, damit wolle die Politik ein klares Zeichen für die Wissenschaft setzen. Der Zusatzkredit wurde vom Nationalrat am letzten Mittwoch mit 93 zu 77 Stimmen – gegen den Willen von Bundesrat Kaspar Villiger – gutgeheissen. Der Entscheid fiel diskussionslos und innerhalb der Beratung des Bundesbudgets 2001. Die Gelder sollen dem Nationalfonds zur Verfügung gestellt werden. Der Ständerat fällt seinen Entscheid am kommenden Montag, das Differenzbereinigungsverfahren ist für den 11. Dezember vorgesehen.

Die Nationalen Forschungsschwerpunkte sind das neue Forschungsförderungselement des Nationalfonds. Ein Netzwerk von Forschungseinrichtungen, die sich um ein sogenanntes „leading house“ gruppieren, behandelt jeweils eine bestimmte wissenschaftliche Fragestellung und erhält dafür über einem Zeitraum von zehn Jahren zwischen zwei bis sechs Millionen Franken jährlich. In einem langwierigen Auswahlverfahren wurden von über 220 Projektideen durch den Nationalfondes 18 Anträge ausgewählt und Anfang Sommer an das Eidg. Departement des Innern für die Schlussselektion überwiesen. Am 18. Dezember werden die „Gewinner“ bekannt gegeben.

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